Am Dienstag den 22.8.1939 lud Hitler 50 Generäle und Offiziere zu sich auf den Obersalzberg. Er hielt eine Rede, um die Oberkommandierenden darauf einzustimmen, dass es übernächsten Samstag Krieg geben würde. Danach gab es Mittagessen.
Von dem Gesagten sind vier Aufzeichnungen überliefert. Die ersten beiden Aufzeichnungen folgen einem bürokratischen, trockenen Stil. Die dritte Aufzeichnung jedoch klingt dermaßen übertrieben, dass man sie nicht als Beweismittel im Nürnberger Prozess zugelassen hat – man vermutete eine Fälschung. In jener dritten Aufzeichnung finden sich Sätze wie: „Dschingis Khan hat Millionen Frauen und Kinder in den Tod gejagt, bewußt und fröhlichen Herzens. Ich habe den Befehl gegeben — und ich lasse jeden füsilieren, der auch nur ein Wort der Kritik äußert — daß das Kriegsziel nicht im Erreichen von bestimmten Linien, sondern in der physischen Vernichtung des Gegners besteht.“
Ich verbitte mir in diesem Zusammenhang den Hinweis, dass auch Jesu Reden und Taten in den vier Evangelien unterschiedlich dargelegt wurden und dass die Bergpredigt überhaupt nur bei Matthäus erwähnt wurde, während Lukas eine Feldrede erwähnte. So eine Gegenüberstellung ist geschmacklos und hat mit Füsilieren geahndet zu werden.
Im Jahr 2022 jedoch wurde in der Zeitschrift für Geschichtswissenschaft die Echtheit dieser dritten Aufzeichnung belegt, und wahrscheinlich wird auch bald die Echtheit der vierten Aufzeichnung bestätigt. Denn die vierte Aufzeichnung lässt vermuten, dass sich die Oberbefehlshaber in der Großen Halle des Berghofs einfanden, dort, wo das große Panoramafenster den Blick auf den Untersberg freigab. Der Führer ließ Matten ausgeben, und die Offiziere mussten ihre Stiefel ausziehen und an den Rand der Halle abstellen. Jeder Offizier stellte sich auf seine Matte.
Ich zitiere aus der 4. Aufzeichnung:
Meine Herren, ich habe Sie nicht nur zusammengerufen, um Ihnen ein Bild der politischen Lage zu geben, oder damit Sie Einblick tun in die einzelnen Elemente, auf die sich mein Entschluß zu handeln aufbaut. Wir wollen auch unsere Entschlossenheit für die kommenden Entscheidungen härten. Stehen Sie aufrecht, meine Herren! Wir beginnen mit dem Sonnengruß. Generalfeldmarschall Göring macht es uns vor – mit den Füßen fest im Boden verwurzelt, die Arme kraftvoll an den Seiten. Atmen Sie tief ein und aus und spüren Sie die Entschlossenheit, es Dschingis Khan gleich zu tun. Und lächeln Sie dabei! Ja, und genauso wie Generaloberst von Rundstedt beugen Sie sich aus der Hüfte nach vorne, die Hände greifen nach dem Boden. Der Nacken ist entspannt, der Kopf hängt frei. Mit jedem Ausatmen sinken Sie tiefer. Dies ist ein Moment der Ruhe und der Vorbereitung auf die neue Grenzziehung. Ein Wall von Reval, Lublin, Kaschau bis zur Donaumündung. Den Rest kriegen die Russen. Ribbentrop ist angewiesen, jedes Angebot zu machen und jede Forderung anzunehmen im Vierfüßlerstand, im Wechsel zwischen Katzenbuckel und Kuh.
Im herabschauenden Hund drücken Sie nun Ihre Hüften nach oben und hinten. Der Körper bildet ein Dreieck – Generaloberst von Brauchitsch macht es uns vor! Seine Hände und Füße bleiben fest auf dem Boden. Er hat mir zugesagt, den Krieg gegen Polen in wenigen Wochen zum Abschluß zu bringen. Hätte er mir gemeldet, ich brauche zwei Jahre oder auch nur ein Jahr dazu, so hätte ich den Marschbefehl nicht gegeben und mich vorübergehend statt mit Rußland mit England verbündet. Denn wir können keinen langen Krieg führen.
Zitat Ende.
Die aktuelle Forschung weist nicht nur darauf hin, was an jenem Tag gesagt oder getan wurde – sondern betont auch, was nicht getan wurde. Es fehlen klar die Positionen des Kriegers – sie sind in keiner Aufzeichnung erwähnt. Alle Bedeutung liegt also im reinen Sonnengruß, am Vormittag nach Osten gerichtet, auf allen Vieren oder mit weit empor gestreckten Armen – ein klares Sinnbild für den Weg ins Glück, der eben nach Osten führt, und ich zitiere: „Für Sie, meine Herren, winken Ruhm und Ehre wie seit Jahrhunderten nicht mehr.“
Hintergründe zu dieser berüchtigten Rede finden sich hier: Zeitschrift für Weltgeschichte Interdisziplinäre Perspektiven Jahrgang 9 Heft 2 (Herbst 2008)