A2 Südwärts

sonnenstrahlen streicheln sich durch das morgengrauen
tosende stille rollt über schwarzen gummi.
achtzig, aber noch viel mehr unterbrochenes zwischen uns
weisses rauschen durchdringt begehrlich
ruhendwollende fahrt will nicht mehr bremsen.
blaue lebenszeichen drãngen ruhe auf.
gier nach stillstand beschwert den fuss
und männer winken in sich überschlagenden autos.

D&T

Entstanden auf dem Weg zur GRAUKO Lesewanderung.

Drei Filterungen. Beitrag zur Lesewanderung 2012.

Lesewanderung 2012 im Skulpturenpark bedeutet: Jedes GRAUKO-Mitglied sucht sich eine Skulptur aus. Und stellt sich zu dieser. Und liest einen Text.

Meine Skulptur: gesture von Werner Reiterer

Dazu fand ich auf der Webseite des Johanneums folgende Beschreibung:

Eine in ihrer Farbigkeit zur umgebenden Natur extrem kontrastierende Plane wächst immer wieder aufs Neue aus einer Senke zur Kugel empor, um kurz nach ihrer vollen Entfaltung mit einem lauten Knall ihr Volumen zu verlieren und, wenn auch nur für kurze Zeit, formlos, wie eine achtlos abgelegte Kunststoffhaut, sich auf dem Gras auszubreiten.

Liegt der Skulptur in den überwiegenden Beispielen das Prinzip der Dauerhaftigkeit und Unveränderbarkeit zugrunde, schreibt sich dieses Objekt als eine sich permanent wiederholende Geste in die Landschaftsformation ein. Dadurch konterkariert sie diese als künstliche Natur angelegte Rahmenform, nicht ohne auf deren Struktur Bezug zu nehmen. Das heißt unter anderem, dass Täler und Hügel, dass Statik und Tektonik in der Sprache der Kunst ebenso zitiert wie verfremdet werden. Dieses permanente Aufsteigen und Zusammenfallen korrigiert einmal einen verfestigten Skulptur- und Objektbegriff, das andere Mal sehen wir uns einer Art spielerischem Modell für den gerafften Nachvollzug geologischer Gestaltungen gegenüber. Einer der Grundzüge von Werner Reiterers Kunst liegt in der Destabilisierung unserer Wahrnehmungsgewohnheiten. Er legt es darauf an, uns nicht mit ausgefallenen referenzlosen Kunststücken zu verwirren, sondern an jenen Schnittstellen anzusetzen, wo eingeübte Erlebnismuster aufgebrochen werden, wo durch das Verrücken von Bezugssystemen jenes Vakuum entsteht, das postwendend mit einer neuen Konfiguration von Inhalten aufgefüllt werden kann. Es sind, wenn man diesen Terminus verwenden will, nicht unbedingt auf Anhieb in allen ihren Dimensionen nachvollziehbare, meist konzeptuell ausgerichtete visuelle „Spielformen“, die zudem nicht im weit entfernten Land der Kunst, sondern verortet auf der Ebene des alltäglich Sichtbaren in Erscheinung treten. Dafür steht auch als grell farbige Intervention in einem Skulpturenpark die repetierte Geste der Formwerdung und des Formverlusts eines Ballons.

Werner Fenz

Auf diesen Text nun wendete ich drei Filterungen an.

Filterung 1 (Verben)

wächst verlieren auszubreiten.
Liegt schreibt konterkariert
nehmen heißt zitiert verfremdet
korrigiert sehen liegt
legt verwirren anzusetzen
aufgebrochen entsteht
aufgefüllt kann
verwenden will
verortet steht.

Filterung 2 (Adjektive und Adverbien)

extrem kontrastierende vollen lauten
kurze formlos achtlos
überwiegenden permanent wiederholende
künstliche verfestigten spielerischem
gerafften geologischer ausgefallenen
referenzlosen eingeübte
postwendend neuen
unbedingt nachvollziehbare
meist konzeptuell ausgerichtete visuelle
verortet alltäglich
grell farbige
repetierte

Filterung 3 (Substantive)

Farbigkeit Natur Plane
Senke Entfaltung
Knall Volumen Zeit
Kunststoffhaut Gras
Geste Natur Täler
Hügel Sprache Kunst
Wahrnehmungsgewohnheiten

Caravaggio (zwei)

Es kommt wieder,
aus dem lehmigen Löss fremder Kindheit,
die ich zu meiner mache,
begleitet von ermordeten Kindern aus dem Museum,
die ich zu meinen mache.

So ist es da und sind sie alle da,
und es ruft und sie alle rufen
damit ich aufstehe, aber ich!
Ich kann doch nur schreiben.

Und sehne mich nach Pinselstrichen,
will deine Farben haben,
für das, was in mir tobt.

hineinschreiben

Ich will in dich hineinschreiben,
dir meine Worte zwischen die
weißen Innenseiten schieben,
bis an das eingeklemmte Leseband,
nach dem greife ich und straffe es zur Saite,
damit meine Worte nachklingen.

Ich will in dich hineinschreiben –
tu nicht so! Man hat dich schon oft
aufgedrückt, zur Seite gelegt, dich aufgestellt,
dir den Rücken entlang gegriffen,
von Kopf bis Fuß. Meine Worte
will ich auftragen und mit meinem Falzbein
in die Zwischenräume deiner Lagen reiben.

Ich will in dich hineinschreiben,
andersrum vor allem, will vom Rücken
in deinen Subtext hinein,
zuerst mit einem Bild oder gar mit zweien
muss ich ihn weiten,
ich will, dass du mich spürst.
Die Einleitung – da musst du durch.

Ich will in dich hineinschreiben,
ich will dich ableimen, dich beschneiden,
dich runden, dich abpressen und hinterkleben.

Ich will in dich hineinschreiben,
und währenddessen verschmierst du
deinen Leim auf meinem Rücken.

 


Entstanden im Rahmen der Langschlager Lyrik-Schreibwerkstatt mit Evelyn Schlag. 29.8.2011. Die Aufgabe lautete, ein Gedicht mit einer Anapher (Wiederholung) zu schreiben.

Ende August

Ende August,
indem du ihm
ins linke Auge schießt,
neben seinen beiden Kälbern,
du weißt schon, die, über die
unser August diese verliebten
Gedichte geschrieben hat,
in der Fleischerzeitung.

 


Entstanden im Rahmen der Langschlager Lyrik-Schreibwerkstatt mit Evelyn Schlag. 29.8.2011. Die Aufgabe lautete, ein Gedicht zu schreiben, das mit »Ende August« anfängt oder endet. Zudem ist es eine Paraphrase auf

Abgezählt

Der Tag, an dem du
ohne Schuhe ins Eis kamst,
der Tag, an dem
die beiden Kälber
zum Schlachten getrieben wurden,
der Tag, an dem ich
mir das linke Auge durchschoß,
aber nicht mehr,
der Tag, an dem in der Fleischerzeitung stand,
das Leben geht weiter,
der Tag, an dem es weiterging.

Ilse Aichinger (Quelle)

rede

          Du bist so ein
Arschloch,
          so ein großes – nein, ein kleines
Arschloch,
          du bist so ein winziges, beschissenes
Arschloch,
          du bist so winzig, dass du nicht einmal ein
Arschloch
          hast, weil bei jedem Stückchen Scheiße würde dein
Arschloch
          aufreißen. Aber das allergrößte
Arschloch
          bin ich, weil ich überhaupt noch mit dir
rede.

 


Entstanden im Rahmen der Langschlager Lyrik-Schreibwerkstatt mit Evelyn Schlag. 29.8.2011. Die Aufgabe lautete, ein Gedicht mit einer Anapher (Wiederholung) zu schreiben oder ein Gedicht über etwas Winziges.

Herbstgedichte

2005. Schreibwerkstatt mit Robert Schindel. Fragte uns nach Worten, die üblicherweise in Herbstgedichten vorkämen. Und schrieb diese Worte auf ein Flipchart:

Nun stellte uns Robert die Aufgabe, ein Herbstgedicht zu schreiben. Allerdings: es durfte keines von diesen Worte beinhalten. Hier nun meine Herbstgedichte.

Herbstgedicht I

Ich trinke vom schweren, roten
Sehe zu, wie
von den Bäumen schweben
weiter getrieben vom
und irgendwo liegen bleiben.

ich schaue zu
und mir ist

Jetzt gehe ich ficken
Denn das darf ich.

Herbstgedicht II

Herbst
ohne übliche Worte
wie Dach
ohne Schindel

Herbstgeschichte

T. fehlt.
Er wird nicht mehr kommen, sagt der Kommandant.
Die Übriggebliebenen raunen.
T. soll eines dieser Worte verwendet haben.

Herbstgedicht III

Junge Hunde in Feuer werfen
Im Herbst
Um sich zu wärmen
Ist nicht verboten.

Herbstgedicht IV

Dieses vierte Herbstgedicht
Ist das Letzte.

Herbstgedicht V

Das vierte Herbstgedicht
Hat gelogen.

Herbstgedicht VI

ein raucher im herbst
     seines Lebens
          nicht mehr sicher
               sein
                    wir doch nicht
                         so
                              laut
                                   husten.

Herbstgedicht VII

Treffen sich zwei Jahreszeiten.
Sagt die eine: „Herbst.“
Meint die andere, das kann man so nicht sagen.

Herbstgedicht VIII

Ins Tal getriebene Kühe
Geben sich Mühe
Aber keine
Milch.

Nach Süden gezogene Vögel
Geben sich Mühe
Aber auch keine
Milch.

Herbstgedicht IX

Herbst
geht dich
nichts
an.