Und so denke ich und denke nach und nach hinein in Schleifen und Möbiusbändern nach dem, was meinen Roman aus dem Schlamm ziehen könnte.
Kategorie: Romantagebuch
Dies ist mein Romantagebuch. Das Logbuch meiner Reise als Schreibender. Hier vermerke ich Erlebnisse, Begegnungen und Entwicklungen.
Auf der Suche nach der Idee, die alles rettet
GRAUKO hat mir Feedack auf mein aktuelles Romanprojekt gegeben.
Das Feedback war ausführlich und hat mich mit der Erkenntnis zurückgelassen: Der Roman funktioniert nicht. Er wird erst ab der Hälfte spannend, und er ist nicht schlüssig. Jene Stellen, die mir so sehr am Herzen lagen („Darlings“), sind flau.
Puh.
Also, erstens, danke an GRAUKO. Nach 18 Jahren funktioniert das Feedback immer noch toll.
Zweitens: Ich suche eine Idee, die mir das Projekt hinbiegt.
Ich suche seit Wochen.
Ich picke mir einen Schmerz heraus und schreibe darüber, bei fröhlicher Hintergrundmusik
Auflösen aller Handlung wegen Sinnlosigkeit
zuerst Denken, Charaktere, Spannungsbogen, Logik und all das
und viel mehr erzeut einen Berg aus Gerümpel,
literarische Mechanikbruchstücke mit scharfen
Kanten und wenn ich darüber steige, wunde ich im
Kopf, und die Geräusche, wenn ich abrutschte, barfüßig, dieses
Quietschen, am Ende falle ich auf einen
Arsch, der Stoß in Wellen bis über den Dornfortsatz hinein
ins Zentrum meines Kleinhirns feuert
Bilder von Gerüchen, die es niemals geben wird, und
betorkelt hirntrunken starre ich
ins handlungsabsurde des Beckett und knacke
Worte aneinander, endlich ohne Logik,
wie Krapps Tonband ohne Bogen aus
irgendwelchen Spannungen,
tiefes Hineintun und Umhermerken
bis zwischen meine Fingerkuppenrisse
Womöglich habe ich nun die Musik gefunden,
nach der ich gestern gesucht habe.
Die große, nächste Idee
Kuss. Seht ihr das nicht?
Und der Kuss, in seiner ungebremsten Farbigkeit, also, wenn man genau hinsieht, dann das seitwärts gelehnte Gesicht – schau, der Kuss! er ist – bei Gott – doch niemals das, sondern – schau dir diese weggeschlossenen Augen an! dieser weggewendete Kopf! und schau auf ihre linke Hand, wie sie versucht, sich seiner Finger zu entwinden, die ihr das Kinn zurechtrücken, fremden Finger, die das schöne Kinn zum Mannmund zwingen – das ist eine Frau, die in das schönste Gold der Welt gekleidet tausendfach vor aller Augen täglich missbraucht wird! Ich meine … seht ihr das nicht?
Aber die Salsa!
Aber die Salsa! Beim den Standardtänzen hingegen hörte ich, wann ich den ersten Schritt setzen musste. Denn da gab es nicht so viele Taktschläge, zwischen denen ich etwas falsch machen konnte. Aber die Salsa! Da kriegte sich der Mann an den Trommeln gar nicht mehr ein, es klang wie wenn ein ekstatischer Derwisch so flink auf die getrockneten Tierhäute einschlug, dass sich seine Hände für das Auge im Dunkel auflösten, und sein Kopf legt sich zur Seite, sein Blick weitete sich ins Weiße, und er sang hell und kräftig von seinem schmerzhaft dringlichen Anliegen, seine Stimme war unentrinnbar, seine Worte aus einer Sprache, die es nie gegeben hatte, die konkrete Bedeutung selbst für Eingeweihte irrelevant, denn alles versank hier in der Bar und darum musste jeder diese Schritte machen, um nicht tiefer zu sinken, zuerst den linken Fuß zurück. Aber ich vermochte in dem wirren Trommelgetue keinen Takt herauszuhören, so, als würde nur ich etwas nicht sehen, nämlich dieses geheime Zeichen des Derwischs, der – für andere Tänzer völlig klar – diesen besonderen Augenblick des ersten Schritts vorgab: Eins. Zwei Drei. Fünf Sechs Sieben. Und Eins. Eine Zählweise, die keine Vier und keine Acht kannte. Wohl hatte ich viel Erfahrung mit Lateintänzen, Cha Cha Cha zum Beispiel, und Ruma begann ja auch auf Zwei, da war die Eins ein Schritt den man nicht tat, das war auch schwierig, das hatte auch Wochen gebraucht bis ich es gekonnt hatte. Und ich war gut Boogie, diesen ausgelassenen, wilden Tanz, dessen Drehungen ich in der Salsa wiederfand, klar, denn Boogie gab es lange vor der Salsa – aber verdammt noch mal, warum gelang es nicht? Dieser kleinlaute Unterschied zwischen Latein und Latin war Abgrund und Berg, war Blindheit meiner Ohren, war, dass nichts mehr galt, womit ich in den letzten Jahren verlässlich getanzt und gepunktet hatte. Das hier war zurück ans Damals, als ich nicht nichts konnte und nichts kannte. Schlimmer noch! Bei bei meinen Salsadrehungen schlitterte in den Boogie hinein, machte also einen Schritt zu viel, vorbei war es mit dem mühsam begonnen Takt. Am Drehungsende stand ich auf dem falschen Fuß, und wie der letzte Tanzidiot musste ich schummeln, mit Blicken zu den Tanzlehrerfüßen mich hinkorrigieren, also von wegen Leichtigkeit, von wegen lateinamerikanische Fröhlichkeit. Ich musste mein altes Tanzen nicht nur vergessen, ich musste mich von ihm entlernen. Dabei wollte ich doch bloß mit Editha tanzen, weil sie meinte, ich sollte es tun. Nein, die Salsa, die würde ich nie, nie tanzen, die brauchte ich nicht, die war für kleinwüchsige Südamerikaner, für braunhäutige Kubaner, von mir aus für Spanier, aber ich hatte Englischen Walzer, Wiener Walzer, Foxtrott und Boogie, wozu brauchte ich denn mehr? Salsa, so schwor ich mir in dieser kellerhaften Tanzenge, würde ich nie wieder tanzen wollen müssen.
Ich erschaffe einen Menschen
Du bist betrunken, Malacoda!
“Warum zeigst du mir das alles?”
“Damit du es schön findest so wie ich.”
“Und warum soll ich es schön finden?”
“Damit es dir schwer fällt, es zu zerstören.”
“Warum soll ich es jemals zerstören?”
“Um zu überleben, Thomas. Um zu überleben.”
“Du bist betrunken, Malacoda!”
“Ja, und es tut so gut. Es macht alles so herrlich irrelevant.”
Herrndorf oder die Kunst skurriler Charaktere
… da hat ja auch keiner eine Meinung. Oder: Das ist Postmoderne.
Schreibmaschine! Wunderschön.
Letzens im MAK gewesen. Dort diese mechanische Schreibmaschine vorgefunden. Und dort hat mich die Lust gepackt, mit einer nichtelektronischen Maschine zu schreiben.
Die Tasten wie Stempel, die ich einzeln gegen die papierene Wand gedrückt habe. Es war ein wunderschönes haptisches Erleben.