„Was sagt legal zu dem draft?“ – Beratersprech!

Beratersprech ist mir in meinem beruflichen Umfeld schon so selbstverständlich geworden, dass ich mich von beratersprech.de ertappt fühle.

DIE SPEECH VOM CMO WAR JA NICHT GRAD DER BARN BURNER.

DA MÜSSEN WIR NOCH MAL GANZ NEU DENKEN.

DAS WURDE MIR SO NICHT KOMMUNIZIERT.

Das ist ja wohl keine rocket science.

Was sagt legal zu dem draft?

Zu diesem High-Level-Event bitte keine B-People einladen.

Das ist strategisch. Bitte asap zwei dedicated Teams draufsetzen.

Und als alter IBMler weiß ich zwar, was EMEA ist. Aber was ARPUS ist, hab sogar ich nachlagen müssen:

FÜR EMEA SALES BRAUCH ICH ASAP EINEN DRILL DOWN AUF DIE REGIONALEN ARPUS.

Das ganze gibt es auch quasi verfilmt:

Pensionsexperten rechnen nicht mit englischen Pasteten

Bin ich nun schon übersensibel geworden, was Worte angeht?

Mir kommt vor, in den letzten Jahren springen mich sprachliche Seltsamkeiten vermehrt an, hocken sich auf meine linke Schulter wie Monsterchen und knabbern an meinem Ohrläppchen. Aber Blog-Sei-Dank habe ich einen Glaskasten, wo ich die Monsterchen hinein- und ausstelle.

Pamphlet wider den Frühling

Aus aktuellem Anlass sei auf das Pamphlet wider den Frühling von Thomas Happ hingewiesen. Hier ein Auszug:

Je wärmer das Wetter, desto teurer der Garderobe­wechsel und desto grässlicher die Traumata der Verkäufer und –innen beim Anblick der zu allem bereiten Schnäppchenjäger. Und das zum vom Urlaubs- und Weihnachtsgeld gleich weit entfernten Zeitpunkt, quasi dem Totpunkt der Liquidität.

Den Todesstoß für alle Frühlingsfanatiker aber stellt die dem Frühling ureigenste Unzuverlässigkeit dar. Den noch sehr labilen Cocktail der Hormone stürzt jeder kleine Rückfall in winterliche Temperaturen, jeder bedeckte Tag, jeder Regenguss in eine existentielle Krise.

Oftmals sind dann die Sonnenanbeter dem kollektiven depressiven Anfall nahe, nur um beim Anblick der schwächsten Sonnenstrahlen in mindestens gleichstarke Euphorie auszubrechen.

Ein Quantensprung

Manchmal erwidern Autoren ihren Kritikern: „Aber das sagt man so!“

Zum Thema Umgangssprache und Unwissenheit erschien dieser exzellente Artikel im Standard:

Quantensprungitis, oder: Jean droht Klischee

von Martin Putschögl  |  11. Februar 2011, 20:16

EZB-Präsident Jean-Claude Trichet hat am Freitag einen „Quantensprung“ bei den europäischen Regelungen für die Haushalts- und Wirtschaftspolitik der einzelnen Länder gefordert. Es brauche klare Regeln und Verfahren, um die Länder auf Stabilitätskurs zu halten, sagte der oberste Währungshüter auf einer Veranstaltung in Bremen.

Die Diktion überrascht uns nicht; der oberste Euro-Währungshüter erweist sich seit einem dreiviertel Jahr als steter Ein-Mahner des „Quantensprungs“. Im Folgenden die vollständige Chronologie: Ein Quantensprung weiterlesen

Spannend!

Die Verwendung des Worts „mörderisch“ beschäftigt mich seit Weihnachten. Letztens erfuhr ich, dass etwa die Wortkombination „mörderisch gut“ in unserem Sprachgebrauch mittlerweile üblich und keineswegs negativ belegt wäre.

Okay. Ich denke bloß zu kompliziert. Brauche „mörderisch“ nur durch etwas Positives ersetzen. Statt „mörderisch“ vielleicht „spannend“ – ja, es wirkt! Mörderische Dinnerparty – Spannende Dinnerparty. Mörderischer Lesespaß – Spannender Lesespaß. Na bitte. Es geht ja. Bin stolz auf mich, und weil es so gut geklappt hat, manche ich weiter:

  • Spannende Einkindpolitik
    Die Chinesen töten ihren weiblichen Nachwuchs: Was wird aus den 17 Millionen überschüssigen Jungen?
  • Spannende Realität
    Dass täglich 25.000 Menschen an den Folgen von Unterernährung sterben, ist eine mörderische spannende Realität.
  • Spannende Wirtschaftskrise
    Ein Vierfachmord ist seit vergangene Woche das Topthema der spanischen Medien. Im katalanischen Olot hat ein 57jähriger Bauarbeiter seinen Chef, dessen Sohn und zwei Bankangestellte erschossen. Anschließend ging er zur Polizei und gestand seine Tat. Spaniens rechte Privatsender bemühen sich jetzt, den Täter als geistig verwirrt darzustellen.
  • Spannende Dienstgeschäfte der Diplomaten
    Die Verstrickung des diplomatischen Corps mit der braunen Regierung war jahrzehntelang ein Tabuthema in Deutschland. Erst der damalige Außenminister Fischer gab die Erforschung durch Historiker offiziell in Auftrag.
  • Spannende Grippe-Epidemie in Mexiko
    Eine schwere Grippe-Epidemie hat in Mexiko bereits 68 Tote gefordert. Mehr als 1000 Menschen wurden infiziert.

Mörderische Verharmlosung

Mörderische Spreefahrt, mörderische Weihnacht, mörderischer Lesespaß, mörderische Ostsee, mörderische Dividende …

Mörderisch ist ein Marketingwort für eine Literatursparte geworden.

Wenn ich Sterben schreibe, meine ich den Schmerz und die Trauer und das Trauma. Wenn ich Mord schreibe, dann meine ich das Schlimmste, das ein Mensch einem anderen Menschenleben antun kann.

Ich bin wohl anders. Ich nehme Worte beim Wort.