Umgangsprachlich schreiben? Der Brechungsindex der Worte.

Céline transponiert das Mündliche ins Literarische mittels einer künstlich-künstlerischen Brechung:

Man müsse, so hat er sein Verfahren beschrieben, einen geknickten Stock verwenden, wenn er, ins Wasser gehalten, gerade wirken soll.

Also keine Imitation, keine vermeintliche „treue“ Abbildung der Mündlichkeit.

(Aus: Louis-Ferdinand Céline: Reise ans Ende der Nacht. Rowohlt Taschenbuch Verlag 2011. Seite 669)

Auf ARTE gab es unlängst eine Dokumentation über Celiné.

Und das ist es, worum es geht

Das ist nun der Grund, weshalb wir uns den Poeten zuwenden, in Zeiten der Liebe, Tod, Freude und Trauer: Sie können es einfach besser als jeder andere.

So schön zu hören: Stephen Fry zitiert W H Auden

https://www.youtube.com/watch?v=F8zkcUM-8B0#t=2944s

He was my North, my South, my East and West,
My working week and my Sunday rest,
My noon, my midnight, my talk, my song;
I thought that love would last forever: I was wrong.

The stars are not wanted now; put out every one,
Pack up the moon and dismantle the sun,
Pour away the ocean and sweep up the wood;
For nothing now can ever come to any good.

Italo-Westerntitel-Generator und Lyrik-Generator. Literatur programmieren.

Martin Schemitsch schrieb einen Generator, der Filmtitel für Spaghettiwestern erzeugt.

martinland.mur.at/iwtg/iwtg_f.html

Beispiele …

  • Mein Heiligenbild hängt an der Todesmelodie
  • Verkauf mir die Luft von der Zeit
  • Garringo – Deine Kugel hängt
  • Sancho – Blüh nicht
  • Renegade – Hölle war sein Kopf
  • Die Flut der toten Fetzen
  • Im Bastard der Bratpfanne
  • Prärien werfen seinen Wolf
  • Ein Fressen im Loch des Vaterunsers
  • Verkauf alle und kehr blutig zurück

Der Vorläufer dieses Werks ist der Lyrikgenerator. Den schrieb Martin in der Programmiersprache BASIC. Das Listing zeigte er uns am GRAUKO-Treffen im April 2011. Im ersten Bild siehst du den Beginn des Programms an sich (Deutlich zu sehen: die Überschrift LYRIC 3.0 IT’S AN EXPERIENCE).

Im zweiten Teil des Programms sind die Worte angeführt, aus denen die Gedichte zusammengesetzt werden. Beachte die handschriftliche Notiz, wonach ein anderes Wort in den Generator einzufügen sei. Hier werden Worte, die dem Autor etwas bedeuten, mit all ihren Endungen und Fällen sorgsam gesammelt, akribisch kategorisiert und in vielen Testdurchläufen auf ihre Eignung geprüft.

Anlass zum Lyrikgenerator war für Martin, dass er sich in seine heutige Frau verliebte und ihr Gedichte schreiben wollte.

Martin erreicht ihr im Martinland: martinland.mur.at

Verschellen – Verschollen

„Die Maschine verschellte in den Anden.“

So hört man Guido Knopp in der Einleitung zur ZDF-Dokumentation Schlimmer als der Tod, ausgestrahlt am 2.10.2011.

Es ist wohl Peter Heissenberger zu verdanken, dass „verschellen“ nun auch offiziell Einzug in die deutsche Sprachlandschaft gehalten hat. Ich darf in diesem Zusammenhang auf seine einschlägige Veröffentlichung hinweisen: Über das Verschellen.

Erfolglos Schreiben: Spannungsadverb

Liebe Adjektive. Nutze Adjektive. Bereichere damit deinen Text. Warum sonst hat Gott das Adjektiv erfunden?

Liebe Adverbien. Nutze Adverbien. Bereichere damit deinen Text. Warum sonst hat Gott das Adverb erfunden?

Liebe Füllworte. Statt „Sie dachte nach“ schreibe: „Sie begann nachzudenken“. Besser noch: „Sie begann wieder nachzudenken.“

Und wenn ein Satz spannend sein soll, dann flechte ein Spannungsadverb ein: „Plötzlich begann sie wieder nachzudenken.“

Ein Beistrich zerstört eine Illusion

Oh, da ist ein Beistrich in unserer neuen Bundeshymne zwischen „Töchter“ und „Söhne“. Schade. Denn „Heimat bist du großer Töchter Söhne“ steckt ja voller Vielschichtigkeiten.

Es bedeutet, dass Österreich Söhne beheimatet (wie in der früheren Fassung), aber nun – hört! hört! – sind diese von groß(artig)en Frauen geboren.

Warum sagt man in so einem Fall nicht „Heimat bist du großer Mütter Söhne?“ – Na, weil es viel zu trivial ist! Weil diese Frauen ja wiederum Mütter haben, und Väter, und darum sind diese groß(artig)en Frauen ja wiederum Töchter, und so kommt gar die verdienstvolle Großelterngeneration implizit ins Spiel.

Plötzlich war Österreich Heimat von vielen: von Söhnen, klar auch von ihren Müttern, damit also von Frauen generell, von den Großeltern, und es wurde anerkannt, dass die großen Söhne der alten Hymne ja von irgendwem all ihr Großes gelernt haben mussten – na klar, von ihren Müttern.

Dass bei diesen Überlegungen die kinderlosen Frauen und die Väter ausgespart blieben, das hatte wohl den Beistrich nötig gemacht.

Und eben diesen Beistrich hatte ich überhört, als ich von der neuen Hymne erfuhr. Erst im Blog von Thomas Happ wurde ich damit konfrontiert.

Meine indirekte Rede ist falsch

Dank eines Hinweises von rentsnik bin ich draufgekommen, dass ich die indirekte Rede im Roman falsch gebildet habe. Durchgängig falsch. Also statt

Er sagte, dass er bei Tisch essen wollte.

muss ich schreiben

Er sagte, dass er bei Tisch essen wolle.

Denn das Tempus in der indirekten Rede bezieht sich auf den Zeitpunkt der Aussage.

Kataklastisches nach-denken mit Robbie Williams.

Denke gerade über das Wort Kataklysmus nach. Und welche Bedeutung es für meinen Roman hat – vom Gefühl, von der Handlung.

Weshalb? Weil ich vorhin dieses Video gesehen habe. Gegen Ende diese geniale Gegenüberstellung der sehr großen, alles zerstörende Katastrophe mit dem absolut Trivialen:

Mit der Genauigkeit eines Autors: Wortklauberei oder Achtsamkeit?

Andere nennen es Wortklauberei, ich nenne es präzisen Umgang mit Worten. Nicht um der Worte willen, sondern weil Worte das Zusammenleben der Menschen spiegeln. Worte sind Anfänge: sie schüren Konflikte, avalanchieren Taten oder schaffen Vertrauen.

Diese Szene aus „Lie to Me“ (S02E13) ist trotz ihrer Witzigkeit für mich ein anschauliches Beispiel, wie ein Autor das Wort achtet.