Meer. Ein Text.

Christian war ans Meer gegangen, und nun stieg er bloßfüßig über die Felsen in Richtung Wasser, seine Arme balancierend zur Seite gestreckt, um ja nicht zu fest aufzutreten, der Fels könnte scharf sein. Aber nichts war scharf, bloß rau war es, und zum Glück war es rau, denn deshalb war es auch nicht rutschig, an jenen Stellen, wo die Wellen die flachen Felsen überspülten, immer wieder überspülten. Er erreichte die verchromte Leiter mit dem gebogenen Handlauf. Er stieg zwei Stufen hinab, und als er mit den Knien im Wasser war, ließ er sich hineinkippen. Er hob sich die Schwimmbrille an die Augen, und das grelle Licht erschien milder.

Er legte sich auf den Rücken, das Kinn zur Burst gedrückt. Er schaute auf seine Zehen und auf das Motorboot, das von seinem rechten Fuß hin zum linken fuhr und dabei eine weiße Linie auf dem Wasser hinter sich herzog. Christian senkte seinen Hinterkopf ins Wasser, er hörte und spürte das Glucksen an seinen Ohren, und jetzt, wo er gänzlich da lag, ohne Spannung, da fühlte er sich gebettet, in etwas Kühlendes, in etwas Schaukelndes, in etwas, das es am Ende doch noch gut mit ihm meinte.

Die Wellen, die das Motorboot hinterlassen hatte, erreichten ihn und streiften über seinen Mund und seine Stirn. Das Meer schmeckte gar nicht salzig, sondern hatte eher etwas Süßes mit einem leicht bitteren Abgang. So lag er da, mit gegrätschten Beinen, mit ausgestreckten Armen, nur ab und an machte er eine paddelnde Bewegung, wenn er meinte, etwas unternehmen zu müssen.

Er hielt sich die Nase zu, rollte sich auf den Bauch, schaute hinab und sah, wie weit es unter ihm war. Er hörte ein Knacken. Ein unentwegtes Knacken. Als würde jemand auf Erdnussschalen umhertreten. Kam das von knabbernden Fischen? Oder von der Strömung, die Steine gegeneinander schob?

Über dem Meeresboden spannte sich ein Geflecht aus Sonnenlicht, dessen helle Knoten sich ausdehnten und zusammenzogen, sich hin und her schoben, sich aneinander rieben oder verharrten, und das alles passierte gemeinsam mit den Wellen und diesem Funkeln, das sich darüber abspielte.

So ein dickes Buch. Oder: Ein sehr plötzlicher Einfall in Kroatien. Oder: Autorenzusammenarbeit entsteht.

Hier habe ich dieses Video aufgenommen:


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Wir wohnten in Murter, wieder in der Ferienwohnung Anita – Anita Schellnegger war uns wieder eine sehr angenehme Gastgeberin.

Autorenzusammenarbeit

Jeder Autor hat sicherlich schon einmal versucht, mit anderen eine Geschichte oder ein Gedicht zu schreiben. Meist gelingt es nicht.

Ausnahme gefällig? Isolde, Maria und Peter arbeiteten in Kroatien intensiv an einer Komödie. Täglich mehrere Stunden auf der Terrasse. Sie waren mit großem Eifer dabei, wechselten sich beim Tippen ab, lasen laut die unterschiedlichen Rollen des Stücks. Sie griffen die Pointen der anderen auf und trugen Gedanken und Worte weiter (Isolde, du hast da sicherlich ein poetischeres Bild dafür). Und ich? Erfreute mich am Zuhören und fotografierte die drei.

Über das Nichtschreiben und das Nichtschreibenkönnen

Sehen wir der Tatsache ins Auge: der Autor schreibt die meiste Zeit seines Lebens nicht. Er schläft. Isst. Trinkt (Alkohol und Schreiben – das ist auch so ein Thema). Er hat Sex und was immer es sonst noch braucht, um sich einem literarischen Thema zu nähern. Und selbst Recherche, das Fundament des Schreibens, ist zugleich ein Nichtschreiben!

Letztens, in Kroatien, erlebte ich eine wunderbare Qualität des Nichtschreibens: Ich war umgeben von heftig schreibenden Literaten und hatte dennoch – oder gerade deshalb – stundenlang keine Lust zu schreiben und – jetzt kommt’s! – ich fühlte mich gut dabei. Ich las Lolita und schaute auf das Meer auf die Segelschiffe, zwischen 25 bis 35 waren es, jawohl, ich las und zählte Schiffe, ohne einen Roman über einen pädophilen Seglerzähler zu planen.

Achtung: Nichtschreiben meint nicht das Nichtschreibenkönnen. Denn Nichtschreibenkönnen ist grausam. Es formt mit dem Schreibenwollen ein gnadenloses Spiel. Nichtschreibenkönnen kann Unruhe sein, Lärm, Dringliches, kann ein Telefonat oder die Mutter oder eine E–Mail sein. Es kann Beisammensein sein oder – weit schlimmer – ein mehrtägiger Urlaub mit dem/den/der Liebsten in einem Land voll Strand und gutem Essen und mit der urlaubsmittigen Frage: »Was ist dir wichtiger, das Schreiben oder ich?«

Anfang in Kroatien

GRAUKO bei der Arbeit.

Nun schreiben alle: Margarita unter dem Feigenbaum redigiert ihren Roman. Isolde, Peter und Maria auf der Terrasse arbeiten an ihrem Theaterstück.

Und ich? Wie fange ich es an? Soll ich meinen bisherigen Roman durcharbeiten und Dagmar nach den neuesten Erkenntnissen schärfen? Aber Dagmars Mutter. Die muss ich mir noch überlegen. Schließlich ist der Master Plot „Rivalry“ eine wichtige Strömung im Roman, da muss ich schon wissen, wie die Gegnerinnen (Mutter und Tochter) aufgestellt sind.

Weite

Beim Frühstück auf der Terrasse konfrontierte ich meine GRAUKO–Kollegen mit meinem aktuellen literarischen Problem, in dem es darum ging, zwei Romanpersonen zu einer zusammenzulegen. Isolde – sie kannte das Thema aus meinem Blog – reagierte mit Abscheu (wie die meisten Leute, denen ich von diesem Plan erzählte). Denn das bedeutete, dass ich die Mutter eines herzkranken Mädchens zur Mörderin machte. Ich erklärte Isolde und den anderen die Situation. Durch meine Erklärungen schärfte sich für mich die Lösung. Und ebenso klarer wurde der Eindruck für die anderen, so dass Isolde am Ende meinte, diese neugeschaffene Dagmar würde eine sehr interessante Romanperson werden.

Wir verbrachten die Mittagszeit am Meer. Ein paar Stunden hatte ich gar keinen Drang zu schreiben. Ich beobachtete die Wellen und Maria, wie sie Peters Romanmanuskript las und einen Buben, dessen Angelschnur sich am Seil eines Boots verhängte. Das alles genügte mir – so lange, bis es mich zum Haus zurückdrängte. Auf der Terrasse arbeitete bis in den frühen Abend an der Mindmap für die Romanperson Dagmar.

Schreibraum Feigenbaum

Feigenbaum

Das erste, was eine Autorin macht, wenn sie sich irgendwo einquartiert: sie richtet sich den Schreibraum ein. Das tat Margarita gleich nach dem Frühstück unter einem Feigenbaum.

Dieser Feigenbaum befindet sich hier:


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(Wir wohnten in Murter, in der Ferienwohnung Anita – Anita Schellnegger war uns eine sehr angenehme Gastgeberin)

GRAUKO goes Kroatien

Wenn wir vom Grazer Autorinnen und Autoren Kollektiv (GRAUKO) etwas zum ersten Mal tun, dann begründen wir damit gleich eine neue Tradition. Diesmal: Die GRAUKO Schreibwoche. Sie fand Ende August 2010 in Murter, Kroatien statt. Mit dabei: Isolde, Margarita, Maria, Peter, Thomas und die beiden Literatinnenehemänner Albert und Franky.

Der erste Tag verbrachten wir mit Anreisen, wobei das zweite Auto unseres zweiteiligen Konvois stets dem ersten Auto nachfuhr – auch im strömenden Regen gut erkennbar wegen des Fahrrads.

Eigentlich wollte ich die stundenlange Autofahrt dazu nutzen, die Zusammenlegung zwei meiner Romanfiguren zu besprechen. War aber zu müde.