Der Schutzwall des Autors vor sich selbst

Ein Mann von großer Labilität errichtet mit einem lautlos funktionierenden Schreibtischleben einen Schutzwall. Das, was ihn im Tiefsten bewegt, kann er allein dem Tagebuch anvertrauen oder mit virtuosen Kaschierungsstrategien in unangreifbare Kunst verwandeln. Ein Unsicherer verschanzt sich hinter der Fassade eines patriarchalischen Haushalts und führt … ein Leben, das Geheimnis gebietet.

(Zitat aus der Dokumentation „Thomas Mann“)

https://www.youtube.com/watch?v=f6fhSVgAFB4#t=97s

(Siehe auch: Was, Herr Wollinger, treibt Sie so an?)

Max Frisch und die Männer, die nichts mit Literatur zu schaffen haben. Und über die Isolation.

Segensreich empfinde ich das tägliche Arbeiten mit Männern, die nichts mit Literatur zu schaffen haben.

Ich bin dort, wo die meisten Berufsschriftsteller sind, nämlich in einer gewissen Isolation.

Ich halte es für einen Vorteil, dass ich erst sehr spät … Berufsschriftsteller geworden bin und vorher einen sogenannten bürgerlichen Beruf ausgeführt habe.

Max Frisch über die Motivation zu schreiben

Der von Frisch entworfene 10-Meter-Sprungturm am Sportbecken des Freibads Letzigraben.
Der von Frisch entworfene 10-Meter-Sprungturm am Sportbecken des Freibads Letzigraben.

Weil es schwer ist, das Leben auszuhalten, ohne sich auszudrücken.

Man will nicht alleine sein: Man will wissen, ob es anderen Menschen ähnlich geht, gegenüber Zeitfragen, Zeitproblemen.

Aber vielleicht am Anfang steht eine ganz naive Lust etwas zu machen, zu spielen.

Partyszenario

Geht ein Autor auf eine Party, hat er sich auf folgendes Szenario einzustellen:

Mensch: Ich habe gehört, du schreibst.

Autor: Ja.

Mensch: Was denn?

Autor: Einen Roman.

Mensch: Und worum geht es?

Das ist ein guter Test, ob der Autor dem Wesen seines Romans schon so nahe ist, als dass er es innerhalb der durchschnittlichen Aufmerksamkeitsspanne eines durchschnittlichen Partybesuchers vermitteln kann (Siehe auch Artikel zum Thema Inhaltsangabe). Bei mir war es letztens folgendermaßen:

Autor: Die Geschichte handelt von einem Krankenhaus, das vierhundert Jahre alt ist. Es wurde im 30jährigen Krieg von einem sehr reichen Söldnerführer gegründet. Für eine Frau, die er sehr geliebt hat. Diese Frau war eine Art Krankenschwester, und sie hatte den Mann gesund gepflegt. Er wollte sie heiraten, aber sie lehnte ab. Denn er ist einer, der vom Krieg profitiert und den Krieg schürt. Also, was tut man in so einer Situation, wenn einem eine Frau zurückweist?

Mensch: (schaut)

Autor: Richtig! Man baut ihr ein Krankenhaus. Damit sie es leitet. Und das geht auch einige Jahre gut. Doch dann, 1645, kamen die Schweden und plünderten alles und Viola – so hieß die Frau – war seither verschwunden. Der Mann blieb alleine zurück, und in seinen letzten Lebensjahrzehnten sorgte er mit einer Stiftung dafür, dass dieses Krankenhaus die Generationen überstehen würde.

Mensch: (nippt Alkohol)

Autor: Der Roman beginnt damit, dass eine schwangere Archäologin das Skelett der verschollenen Krankenhausgründerin findet. Und ermordet wird. Ihr Freund und Vater des Kindes kommt in den Ort, um für sich herauszufinden, was passiert ist. Um mit seinem Verlust klar zu kommen. So verstrickt er sich immer mehr in eine Geschichte, die von vierhundert Jahren begonnen hatte.

Mensch: Das ist ja wie ein Hollywoodfilm …

Autor: Äh, ja. Hmm.