Das Schöne ist schwer, weil es uns zu einer Wahrheit führt.

… aber man kann nicht geistreich dichten lernen,

so ausführlich auch alle Vorschriften für die Dichtkunst, und so vortrefflich auch die Muster derselben sein mögen.

Die Ursache ist, daß Newton alle seine Schritte, die er von den ersten Elementen der Geometrie an, bis zu seinen großen und tiefen Erfindungen, zu tun hatte, nicht allein sich selbst, sondern jedem andern, ganz anschaulich und zur Nachfolge bestimmt vormachen könnte;

kein Homer aber oder Wieland anzeigen kann, wie sich seine phantasiereichen und doch zugleich gedankenvollen Ideen in seinem Kopfe hervor und zusammen finden, darum weil er es selbst nicht weiß und es also auch keinen andern lehren kann.

Immanuel Kant: Kritik der Urteilskraft. § 47.

Die Philosophie der Kunst. Ein ARTE-Video über den Schaffensprozess, über das, was Kreativität ist, über die Wichtigkeit des Making-Of: Die Philosophie der Kunst.

https://www.youtube.com/watch?v=GcoIFgZCXcU

Das Schöne ist schwer, weil es uns zu einer Wahrheit führt. Und die steckt im Geschenk der Kunst, nicht im bloßen Konsumieren.

Paul Clavier

Die Archäologin grüßt mich

Habe eine – für mich neue – Rezension von Die Archäologin gefunden. Das ist ein bisschen so, als würde Erika, die Archäologin, mir sagen: „Hast mich eh nicht vergessen?“

Nein, Erika, das habe ich nicht. Ist schon 10 Jahre her, aber ich vergesse dich nicht. Du bist mir immer noch nahe und zugleich verstehe ich dich immer noch nicht. Darin liegt wohl die Spannung unserer Beziehung. Ich werde wieder über dich schreiben, einen zweiten Roman rund um dein Leben machen. Versprochen.

Hier findest du die Rezension. Sie beginnt folgendermaßen:

Hmmm. Schon wieder ein Buch, das viel will, viele Handlungselemente enthält.

Ja, kleine Ziele waren nie meines. Zudem entstammt das Buch aus einer Zeit, in der ich mein Geschriebenes bis auf die Knochen runterkürzte – weil ich meinen Worten misstraute und ich mir darum dachte: je weniger Worte, desto weniger angreifbar bin ich. Darum wohl ist der Roman so dicht geworden.

Céline und Miller. Das ist sprachliche Brutalität.

Es ist das unbarmherzige Schreiben de beiden, das mich so packt. Mir scheint, Céline und Miller schreiben, was ihnen ein Anliegen ist – und sie kümmern sich um sonst nichts. Miller etwa hat nicht daran geglaubt, dass seine Werke jemals verlegt würden, und Céline sah sich immer als Kämpfer gegen alle und alles.

Louis-Ferdinand Céline und Henry Miller gehören zu den massivsten Autoren des 20. Jahrhunderts.

Fällt nur mir ihre sprachliche und inhaltliche Ähnlichkeit auf?

Beide waren in Paris, beide sind von New York geprägt, beide haben gegen das gewohnt Sprachliche rebelliert. Bei beiden folgt die Romanhandlung keinem üblichen Aufbau. Beide neigen dazu, sehr wertend zu sein, und gleichzeitig bieten sie Sichtweisen mit radikaler Genauigkeit. Henry Millers Werk ist von Geschlechtsverkehr dominiert, während es bei Céline der erste Weltkrieg ist, das traumatisch die Sichten verschiebt. Oder so. Ach, seht doch selbst!

Hier ein Beispiel aus Reise ans Ende der Nacht. Es spielt in New York.

Die Lyrik des Bob Dylan.

Dieses Video sieht genau auf die Lyrik des Bob Dylan. Und wenn Stephen Fry auf etwas hinsieht, dann ergibt das am Ende immer eine wertvolle Sichtweise für mich.

Über Lyrik habe ich gelernt, dass ähnliches gilt wie bei Prosa: Die sprachlichen Bilder müssen stimmen. Andererseits …

https://www.youtube.com/watch?v=6W4i6sWCbk0#t=3284s

… habe ich gelernt: bei allem, was über Literatur gesagt wird, gehe davon aus, auch das Gegenteil kann wahr sein.

Der Schaffensprozess des Hubert von Goisern

Ich kann nur das machen, was aus mir rauskommt.

Ich kann nicht etwas schreiben, wo ich mir denke: das würde der gerne hören.

Ich muss dieses Prickeln spüren, dass es auch daneben gehen kann.

Ich habe ein Jahr lang kein Instrument angegriffen.

Kreative Prozesse ähneln einander: Romanschreiben, Lieder schreiben, Komponieren – das alles beherbergt die gleichen Muster. Und das Nichtschreiben / Nichtspielen als Teil des Schaffensprozesses. Hier schön anzuhören:

Quelle: Bayern 3

Als Romanautor die Poesie lernen? Wozu denn?

Was Poeten von Prosa und Romanautoren von Poesie lernen können …

The poets needed to learn to pay greater attention to character and to narrative. Poets could learn from fiction writers something about developing a character over time who wasn’t just you and also creating a narrative structure.

Many fiction writers tell stories but are not elegant writers. So, I think fiction goes to poetry for the intensity of its use of language.

Das Transkript dieses Videos findest du hier.

Sehen, hören, fühlen, riechen, berühren. Schreiberische Alltagsarbeit.

Beim Schreiben geht es um das Leben. Schreiben hat etwas mit sehen, hören, fühlen, riechen, berühren zu tun. Es handelt weit eher von all diesen Dingen als vom Denken.

Wir haben die Vorstellung, Schriftsteller müssen „intelligent“ sein. Mit „intelligent“ meinen wir „raffiniert“. Wir wissen, wie Raffinesse beim Schreiben aussieht: Es sind Sätze verlangt, die Kurven so mühelos nehmen wie ein Porsche, und kritische Kommentare mit einer Geschwindigkeit und Eleganz in die Ecke treiben, die uns normale Menschen meist nicht zur Verfügung stehen. Ja, das ist eine Art zu schreiben, mit Effekthascherei, doch ist das Schreiben mehr als nur das.

(Quelle: Julia Cameron: Von der Kunst des Schreibens)

Julia Cameron beschreibt so treffend, weshalb Sinneseindrücke im Zentrum stehen, am ersten Tag der Schreibwerkstatt Texthobel.

Gefühle löse ich bei der Leserin nicht dadurch aus, indem ich sie nenne („Anita ist verliebt.“). Klar darf ich jederzeit Emotionen nennen – bloß wundern darf ich mich nicht, dass die Leserin keine Marionette ist, die fühlt, was ich ihr befehle. Stattdessen die Leserin spüren lassen, dass Anita verliebt ist – indem sie Anita beobachtet. Darum frage ich mich als Autor: Woran erkenne ich, dass Anita verliebt ist? Solches ist meine schreiberische Alltagsarbeit.

Schreiben ist nicht sprechen. Sondern zuhören.

Wenn ich auf das höre, was da ist, und es niederschreibe, dann muss ich den Ideenfluss nicht erzeugen, sondern lediglich aufzeichnen.

Sobald das Schreiben ein Akt des Zuhörens und nicht des Sprechens wird, tritt das Ego weitgehend in den Hintergrund.

(Quelle: Julia Cameron: Von der Kunst des Schreibens)

Dieses Zitat widme ich B. und S., die soeben an ihren Sachbüchern arbeiten.

Die Zeitlüge. Oder: Für das Schreiben gibt es immer Zeit.

Der Mythos, dass wir Zeit – mehr Zeit – brauchen, um schöpferisch tätig zu sein, hält uns davon ab, die Zeit zu nutzen, die uns zur Verfügung steht. Wenn wir immer nur nach »mehr« verlangen, negieren wir das Vorhandene.

Mein Dasein als alleinerziehende Mutter, hauptberufliche Lehrerin und hauptberufliche Schriftstellerin hat mich gelehrt, mir die Zeit zum Schreiben zu nehmen, statt auf sie zu warten.

Die Obsession mit dem Zeitmangel ist in Wirklichkeit nichts anders als Perfektionismus. Uns fehlt der Mut, ohne Sicherungsnetz zu arbeiten, und wir behaupten, dass wir doch nicht so dumm sind, um Zeit auf etwas zu verschwenden, das sich am Ende gar nicht auszahlt.

Wenn wir aus Liebe schreiben, uns selbst Augenblicke des Schreibens schenken, dann wird unser Leben schöner und unser Temperament sanfter.

Schreiben bringt vieles ins Lot.

Wer sich Zeit zum Schreiben nimmt, dem steht Gutes bevor. Indem wir unsere Umgebung beschreiben, wenden wir uns ihr bewusst zu und wissen sie besser zu schätzen.

(Quelle: Julia Cameron: Von der Kunst des Schreibens)

Dieses Zitat widme ich B. und S., die soeben an ihren Sachbüchern arbeiten.

Philip Roth: Das Feuer der Realität entfachen

Über die Inspiration des Philip Roth.

Ich erfinde die Figuren im Verlauf der Handlung. Man muss alles über diesen Menschen herausfinden. Wer ist er, woher stammt er, was hat er hinter sich. Wie sind seine Eltern. Dann kommt seine Frau dran.

Man muss die leeren Fläche ausmalen, wie Kinder das mit Malbüchern tun. Die Erfindung muss eine Grundlage haben.

Man braucht ein Stück Realität, von dem man ausgeht. Ich reibe also zwei Stöcke Realität aneinander, um ein Feuer der Realität zu entfachen.

http://videos.arte.tv/de/videos/philip_roth_ohne_beschwerden_ausschnitt_2_-4147768.html

Heute analysieren wir ein Gedicht

Das Gedicht, das wir heute besprechen, lautet:

A a ben Warem a ben ben Warem
a a ben Warem a ben ben Warem
ben ben ben Warem a wa two ben

ben Warem

a bla a bla ben Warem a a ben
Warem ben ben ben Warem a two
ben ben A a ben Warem a? ben ben

Hier nun das Video der Lyrikanalyse. Als Methode der Näherung wurde ein metamorphisches Selbstgespräch gewählt.

https://www.youtube.com/watch?v=KZ2lWyTi0oY

Familienstammbaum einer Romanfigur schafft Inspiration und Klarheit

Einen Menschen kann man erst so richtig kennen, wenn man etwas über seine Familie und Herkunft weiß. Das gilt insbesondere für uns Schreibende, die wir ja unsere Romanpersonen gut kennen wollen, um sie glaubhaft handeln zu lassen.

In der letzten Texthobel Schreibwerkstatt waren etliche Teilnehmer, die das Modul „texthobel.roman“ gewählt hatten. Mit dabei war Andrea Zutz mit ihrem Romanprojekt „Kleine Flugzeuge“.

Auf diesem Foto geht es um Alexandra. Sie ist die Heldin des Romans, und damit die Autorin ihre Heldin besser kennenlernt, haben wir sie gebeten, sich Gedanken über Alexandras Familie zu machen. Dieser Stammbaum deutet Konflikte und Unterschwelliges an, viel Möglichkeit für Spannendes und für Entwicklungen. Viel Inspiration für die Autorin.

(Wie du siehst, gab es zu jeder Person Geburtsdaten und zu manchen die Sterbedaten, weil das viel aussagt über das Umfeld und die Prägung.)