So super fühlen beim Schreiben

Am Rande einer Lesung wurde mir folgendes erzählt:

Der B. erzählt mir immer, wie super er sich fühlt, wenn er schreibt. Also, ich fühle mich beim Schreiben gar nicht super, ich muss mich echt dazu zwingen.

Da habe ich die N. gefragt, wie es ihr geht. Und die hat gesagt, ihr geht es auch immer schlecht wenn sie schreibt. Aber, hat sie gesagt, wenn sie nicht schreibt, dann geht es ihr echt Scheiße.

Ein Quantensprung

Manchmal erwidern Autoren ihren Kritikern: „Aber das sagt man so!“

Zum Thema Umgangssprache und Unwissenheit erschien dieser exzellente Artikel im Standard:

Quantensprungitis, oder: Jean droht Klischee

von Martin Putschögl  |  11. Februar 2011, 20:16

EZB-Präsident Jean-Claude Trichet hat am Freitag einen „Quantensprung“ bei den europäischen Regelungen für die Haushalts- und Wirtschaftspolitik der einzelnen Länder gefordert. Es brauche klare Regeln und Verfahren, um die Länder auf Stabilitätskurs zu halten, sagte der oberste Währungshüter auf einer Veranstaltung in Bremen.

Die Diktion überrascht uns nicht; der oberste Euro-Währungshüter erweist sich seit einem dreiviertel Jahr als steter Ein-Mahner des „Quantensprungs“. Im Folgenden die vollständige Chronologie: Ein Quantensprung weiterlesen

Chronik der Anfänge

Hier die ersten vier Sätze und ihr Lauf durch die Jahre. Warum die Änderungen? Weil sich meine Sicht auf den Roman mit seinen Fassungen änderte.

Aber jedesmal beim Schreiben war ich sicher: Das wäre nun der definitive Romanbeginn.

21.1.2007: Von mir werden Sie nicht hören, wie ich mich gefühlt habe. Aber was ich gedacht habe, das kann ich Ihnen sagen: Wer auch immer das Museum angezündet hat, er hat Bettina keine Chance gelassen. Denn sie riecht nichts. Hat nie etwas gerochen.

4.2.2008: Ich wollte Bettina noch einmal sehen. Sie hatten sie nach Wien überstellt, in die Gerichtsmedizin. Ein Dr. Müller begrüßte mich und sagte, ich möge mir nicht zu viel erwarten. Ich weiß bis heute nicht, was man von so einer Situation zu erwarten hat.

9.6.2009: Liebe Bettina, ich bin ruhiger geworden in den letzen Monaten. Das tut gut, und ich sage mir, dass du stolz auf mich bist, weil ich das alles recht gut meistere. Ich arbeite viel, ich habe also gar nicht mehr so viel Zeit zum Denken, zum Herumdenken, zum Im–Kreis–Denken, aber heute, heute also wieder das Gerichtsmedizindenken, das ganze Programm inklusive Dr. Müller. Wie er vor mir gestanden ist.

29.10.2009: Du bist am 17. Oktober gestorben, Begräbnis 3. November, und jetzt ist bitte sehr schon Februar. Bald wird Frühling sein. Sogar hier in Wien wird wieder etwas wachsen – das alles könnte doch irgendwann einmal bitte verdammt nochmal endlich vorbei sein! Obwohl: es hat ja Fortschritte gegeben.

27.7.2010: Ich könnte beschreiben, wie es war, als ich es erfuhr. Dieser Telefonanruf von deinem Vater. In der U–Bahn. Er fragte mich: »Weißt du es schon?«

22.2.2011: Ich wollte dich noch einmal sehen. Der Pathologe sagte, ich sollte mir nicht zu viel erwarten. Ich weiß bis heute nicht, was man normalerweise in so einer Situation zu erwarten hätte. Er führte mich in einen gekachelten Raum.

Henry Moore über die Anstrengung des Künstlers

I do not like absolute perfection. I believe that one should make a struggle towards something you can’t do rather than do the thing you can do easily.

(Zitiert aus: Henry Moore: Carving a Reputation. Dokumentation. Erstausstrahlung: 20.3.2010 20:00 BBC Four)

42

Ich bin nun 42 Jahre alt und habe das Gefühl, etwas vom Leben begriffen zu haben.

Dieses Leben lebt sich schnell. Die Art, wie ich es für mich festzuhalten vermag, ist, darüber zu schreiben.

Darum mühe ich mich mit großer Freude, ein Abbild zu formen, das dem Ganzen mit seiner immensen Schönheit halbwegs gerecht wird.

Ich bedanke mich bei Friedrich II

Nun sehe ich die Romanpersonen klar, insbesondere, was ihr Verhalten gegen Ende des Romans betrifft.

Ich weiß nun, was vor 42 Jahren mit Elisabeth passiert ist.

Diesen gedanklichen Schlussstein habe ich der Jugend von Friedrich II entnommen: Er wollte vor seinem Vater fliehen und musste miterleben, wie sein Freund hingerichtet wurde.

1968 ist Elisabeth 21 Jahre alt. Sie ist die künftige Leiterin des Violanums und leidet unter ihrem autoritär herrschenden Vater. Nun kommt ein junger Mann, Wenzel, mit ihm geht Elisabeth aus Trotz eine Liebschaft ein. Sie wird schwanger. Wenzel will mit Elisabeth fliehen. Wenzels Vater stellt ihm nach und schießt auf ihn mit einem Schrotgewehr. Ins Gesicht. Wenzel erblindet. Vierzig Jahre später kehrt er ins Violanum zurück, das nun von Elisabeth geleitet wird.

Dank Friedrich II verstehe ich Elisabeth.

Der Archetyp „Gestaltwandler“ (2)

Die Gestaltwandlerin ist ein sehr dynamischer Teil meines Romans. Während die Schwellenhüter statisch dastehen und ihre Rätsel vom Helden zu überwinden sind, ist die Gestaltwandlerin zwar immer da, aber immer anders. Dieses Andere ist sie bloß im und durch den Blick des Helden – sie spiegelt ihn. Er ist es, der sie stets aufs Neue zu etwas anderem macht.

Quelle: Christopher Vogler: Die Odyssee des Drehbuchschreibers (The Writer’s Journey), Zweitausendeins Frankfurt a.M., 1998

Der Archetyp „Gestaltwandler“ (1)

Warum fasziniert mich der Gestaltwandler so? Wegen meiner Vergangenheit. Ambivalenz macht mir Angst und weckt Neugier. Ich will näher hin, um genauer zu sehen, und verliere mich, den Überblick verlierend. Ich weiche zurück, und meine Blicke sind wieder bei ihm. Ich will wissen, warum der Gestaltwandler so ist und scheitere eben deshalb, weil es mit dem Verstand nicht erfassbar ist.

Was einen Menschen zur Gestaltwandlerin macht, ist in meinem Roman ihre enge Beziehung zum Helden. Diese Enge löst das Vielfältige und Widersprüchliche aus.

Quelle: Christopher Vogler: Die Odyssee des Drehbuchschreibers (The Writer’s Journey), Zweitausendeins Frankfurt a.M., 1998

Ich arbeite an einem Konflikt

Denktag. Draußen Sonne. Drinnen im Schreibraum ist es warm und hell und ich höre Musik (Soundtrack von alten James-Bond-Filmen).

Ich habe keine Termine. Ich habe alles bereitet. Ich kann denken. Denn da ist etwas Großes, das muss ich auflösen. Vielleicht das letzte große.

Da gibt es 2 Charaktere, deren Beziehung/Vorgeschichte irgendwie noch unklar ist. Es sind zwei verbissene Gegner. Ihre Beziehung muss eng sein, und ich denke an Jahrzehnte gegenseitigen Bekämpfens und Nicht-loslassen-könnens. Ich denke an Liebe und Beschützenwollen. Quasi das Schlimmste: Zwei Menschen, wo jeder nur das Beste will. Aber für jeden ist das Beste etwas anderes.

Seit Anfang Jänner Monat also bin ich also in der Strukturierungsarbeit. Ich habe den ersten Akt mehr oder weniger beendet, sprich, die Ankunft des Helden und das Kennenlernen seiner neuen Umgebung („mehr oder weniger“ heißt, ich muss den 1. Akt noch einmal umschreiben, weil mir ja zu Beginn einiges noch unklar war – aber ich bin es ja gewöhnt, dieses Umschreiben). Ich habe nun schon eine Struktur für das Nachfolgende. Aber eben noch nicht alle losen Enden verknüpft.

Was mir bei diesen Überlegungen geholfen hat, war das Verständnis von „Krise“ und „Klimax“. Und mir geht es jetzt um den Klimax, sprich, um die letzte, entscheidende Krise.

Christopher Vogler illustriert dies mit folgendem Diagramm (wobei ich die Y-Achse nicht benennen könnte):

In meinem Roman nimmt der 1. Akt wohl die Hälfte des Volumens ein.