Gestrichenes Romanfragment, Teil III

(Dies ist die Fortsetzung von Teil 2)

Frauen sammeln Reisig, und Männer hacken das Holz zurecht. Für die Gehilfen des Priesters. Die errichten eilig den Scheiterhaufen für das Kriegerbegräbnis. Obenauf das arme Wesen, in Lammfell eingewickelt. Der Priester legt ein Schwert daneben, einen Schild, Brotfladen und Vorratsgefäße mit Getreide und eine Schale mit Birkenrindenschwelteer. Der Fürst presst sich seine Fäuste gegen die Wangen. Der Priester öffnet einem Hasen den Brustkorb, fingert das Herz heraus, schmiert sich Blut auf die Stirn, ja, die Götter sind gewillt, den Fürstensohn zu sich zu holen! Er spricht seine Beschwörungsformeln, ganz leise seine Stimme, denn der Fürst hat befohlen, dass seine Frau nichts davon merken darf. Der Scheiterhaufen wird entzündet, Rauch umhüllt das arme Wesen, das Holz knackt, erste Flammen züngeln empor. Der Fürst schließt die Augen, für einen Moment nur, aber sofort sind die Erinnerungen da und die Gesichter und die Blicke vor dem Getötetwerden und die brennenden Hütten. Der Fürst zwingt sich, die Augen offen zu halten. Alles kann noch gut werden, sagt er sich. Gestrichenes Romanfragment, Teil III weiterlesen

Gestrichenes Romanfragment, Teil II

(Dies ist die Fortsetzung von Teil 1)

Der Fürst befiehlt Osobo, seinem zweitgeborenem Sohn, im Wald vor der Siedlung mit den Kriegern in Stellung zu gehen. Der Fürst selbst hetzt sein Pferd vom Hügel hinab, weiter durch den Auwald und den Fluss entlang, bis er das Lager erreicht. Er springt ab und betritt das Fürstenzelt. Dunkelheit. Schweiß und Rauch. Schemenhaft der Hirschenthron mit dem Geweih eines Vierzehnenders. Seine Waffen. Auf einem Tabernakel die tönerne Schale mit dem Birkenrindenschwelteer, erhitzt von einer kleinen Flamme. Auf dem Boden stehen kleine Figuren aus Holz, Stein, Knochen. Der Priester hat sie angeordnet, in jener Konstellation, die er letzte Nacht vom Sternenhimmel abgelesen hat. Gestrichenes Romanfragment, Teil II weiterlesen

Gestrichenes Romanfragment, Teil I

(Dieser Text stammt aus dem Jahr 2004 und war als Vorgeschichte zum Roman „Die Archäologin“ angedacht. Die Personen: Der Fürst eines Reiterheeres, das aus dem Osten kommt; Acheio, sein ältester Sohn; Osobo, sein zweitgeborener Sohn. Die Handlung spielt im Jahr 1044 v.Chr. Der Fürst ist eben dabei, eine ihm fremde, bronzezeitliche Siedlung im östlichen Weinviertel zu erobern.)

Dem Fürsten steht eine gebückte Frau im Weg. Zerbrechliche Statur, das Kleid aus grobem Stoff, ihr Stock ragt über sie hinaus. Die Haare silbrig, die Augen hell. Sie versperrt dem Fürsten und seinen Kriegern den Weg durch das Tor. Er gibt dem Pferd die Sporen, das Pferd scheut wie vor einer Schlange, ein Wiehern wie ein Schrei. Der Fürst kommt der Alten nahe, so nahe es das Pferd zulässt, und ruft: „Aus dem Weg!“

Sie verharrt unbewegt, das Pferd bleibt unruhig. Sein Fell fühlt sich nass an.

„Fort mit dir!“, ruft der Fürst, „Oder willst du sterben?“

„Ja“, sagt sie, geflüstert. Sie hebt den Kopf, schaut zum Fürsten herauf. „Sobald meine Zeit gekommen ist.“

Das Pferd bäumt sich auf, der Fürst reißt die Zügel zurück, die Trense schneidet sich in sein Maul, endlich hört es auf, umherzutänzeln.

„Warum bist du hier?“, fragt der Fürst.

„Ich kämpfe.“

„Mit deinem Stock also kämpfst du gegen uns?“

Die Alte schüttelt den Kopf und sagt: „Ich kämpfe für das Leben deiner Frau.“

Sie schließt die Augen.

(Teil 2 folgt morgen)

Geschrieben!

GRAUKO-Treffen im Dunkeln
GRAUKO im Dunkeln: Literatin, Laptop, Literat

Letzten Samstag war GRAUKO-Treffen in Gnies in der Steiermark bei Maria Edelsbrunner. Sieben Literaten waren wir – fünf GRAUKOs, zwei literarische Gäste. Wir lasen und diskutierten von vier Uhr bis Mitternacht.

Und am Sonntag, auf der Heimfahrt im Zug, da schreib ich wieder ein Kapitel. Zweieinhalb Stunden, ununterbrochen.

Stellenangebot: Hochzeitsredenschreiber gesucht

Ich dachte, ein Hochzeitsredenschreiber ist bloß eine Erfindung, bis ich folgendes las:

Wir schreiben und verkaufen Hochzeitsreden im deutschsprachigen Raum übers Internet.

Unser schönes Angebot wollen wir nun auch Personen in anderen Sprachräumen anbieten.
Daher suchen wir Autorinnen und Autoren, die eine andere Sprache als Deutsch als Muttersprache haben.

Unsere Idee: Sie übernehmen Ihren Sprachraum eigenverantwortlich.

Sie …
… suchen nach einer weiteren beruflichen Herausforderung
… können diese selbstständig ausführen
… haben Freude daran, Texte zu verfassen
… sprechen fließend Deutsch und Ihre Muttersprache
… können sich vorstellen, über Internet Hochzeitsreden zu schreiben
… sprechen und schreiben perfekt die Fremdsprache eines großen Sprachraumes

Dann sind Sie bei uns richtig!

(Quelle: http://www.die-hochzeitsrede.eu/int/)

PS: Danke, Silke, für den Hinweis!
PPS: Details zu diesem Angebot kenne ich nicht.

Eingeständnis

Okay. Hier also ein Eingeständnis: Seit März habe ich kaum Text produziert.

Im März war ein Schreibschub, eine Woche lang. Danach versuchte ich, dieses erste Romandrittel abzuschließen, aber etwas fehlte. Eine Kleinigkeit. Eine einzige Person, die ich nicht und nicht beschreiben wollte. Weil mir deren Rolle nicht klar war. Nach und nach offenbarte sich mir der wahre Grund: Die Romanpersonen passen nicht recht zusammen. Und damit meine ich: alle. Auch die Hauptperson – was will sie eigentlich?

Das ist also, woran ich gearbeitet habe: Mit Hilfe meiner Mindmaps das Geflecht entwirren. Vereinfachen. Gänzlich Opfer fiel eine Romanperson, die ich schon im Oktober als Darling identifiziert hatte.

Und jetzt? Es fühlt sich alles etwas leichter an. Aber, wie gesagt: an konkretem Text ist nichts gewachsen.

Warten, sechs Jahre lang

Gabriela_42 schrieb auf amazon.de:

Thomas Wollingers Roman weckt, und das sei an den Anfang gestellt, den dringenden Wunsch, weitere Bücher des Autors zu lesen, und dies möglichst bald.

So schrieb sie am 6. Juli 2004.
Jetzt haben wir 2010.

Gabriel_42, du hast 6 Jahre gewartet. Danke. Ich bitte dich noch um etwas Geduld. Zwei Jahre bloß noch. Dann, hoffentlich, ist es soweit.

Schreiben per Tante

B. ist eine Arbeitskollegin von mir. Sie liest gern und viel – aber schreiben? Nein, sie schreibt nicht, sagt sie. Ist ihr zu mühsam, sagt sie. In ihrer Jugend mal versucht, aber über ein paar Seiten nicht hinausgekommen, sagt sie.

Ihrem zweijährigen Sohn erzählt sie jeden Abend eine Gutenachtgeschichte. Einmal hat ihre Tante über das Babyfon mitgehört und gefragt: Was liest du ihm da für tolle Kindergeschichten vor? Die Tante war ganz erstaunt zu hören, dass die Geschichte soeben erfunden war. Dass B. jeden Tag eine neue Geschichte erfindet. Dass sie eine Gruppe von Kindern erfunden hatte, die jeden Tag etwas Anderes erleben.

„Schreib die Geschichten doch auf!“, hat die Tante gemeint. Woraufhin B. versucht hat, eine vorhin erfundene Geschichte niederzuschreiben – das wollte ihr nicht recht gelingen. Deshalb zeichnet B. ihre Geschichten per Diktierfunktion ihres Handys auf, und ihre Tante tippt die Geschichten ab.

Aber schreiben? Nein, sie schreibt nicht.

Empfehlenswerte Fernsehdoku

Seht euch doch auf Arte die Doku MangaMania an (noch bis 21. April im Netz).

Da entsteht ein Roman in Comicform. Alle Freuden und Leiden der Romanautoren inklusive. Mit dieser Präzision, mit der die Autoren das Leben beobachten, ganz genau, noch viel genauer, um es ja in Worten/Bildern abformen zu können.

Die Suche nach der richtigen Bewegung wird zu einer Besessenheit.

Vorfreude auf die Schreibwerkstatt

Morgen ist wieder Texthobel. Ich freue mich schon.

Da werde ich wieder einiges über mein Schreiben lernen. Wie das geht? Beim Texthobel werde ich keine einzige Zeile schreiben, denn ich leite die Schreibwerkstatt ja!

Vielleicht lerne ich so viel, weil ich bei manchen Kolleginnen und Kollegen meine eigenen Stärken und Schwachstellen wiedererkenne. Gemeinsam arbeiten wir an den Schwachstellen an – was letztlich auch mir nützt. Vielleicht hilft mit der Texthobel, weil ich mir später beim Schreiben sage: „Welchen Ratschlag, scheibender Thomas, würde dir der Texthobelleiter Thomas wohl nun geben?