Romanpersonen leben

„Die Archäologin“ ist ein Roman über eine Frau, die Skelette einer Familie findet, und sich so stark mit denen identifiziert, dass es ihr Leben aus der Bahn wirft. Vor einem Jahr war mir dann klar, was in dieser Frau abgeht: Erst, als sie das Schicksal der Toten auf ihre Art und Weise gelöst hat, kann sie mit ihrem eigenen Leben weitermachen.

Moment mal! Thomas, du hast doch die Archäologin erfunden und aufgeschrieben – und brauchst Jahre, um zu begreifen, wer sie ist?

Ja. Ist so. Denn…

Ein Roman ist ein System aus Menschen, von denen etliche fiktiv sind, und einer ist Autor, ich zum Beispiel. Bin Teil des Systems. Ich habe Beziehungen zu den Personen, intensiver als zu etlichen realen Menschen, denn ich denke mich in diese Personen hinein, ich spüre mich in sie hinein, ich schlüpfe in sie. Ich denke Möglichkeiten ihres Verhaltens durch. Für jede Handlung, den sie in meinem Roman begehen, habe ich zig Möglichkeiten verworfen. Ich bastle mir eine Person zusammen, nutze Versatzstücke aus meiner Umwelt. Ich schreibe mich mit der Person warm, bekomme ein Gefühl für den Klang ihrer Stimme und ihre Wünsche und Bedürfnisse.

Und dann beginnt es.

Dann wird diese Person real. Für mich. Da agiert sie, wie sie agieren muss, weil etwas in ihr steckt. Sie wird zum Menschen, den ich einmal getroffen habe, über den ich etwas erfahren habe, und über den ich jetzt in meinem Roman etwas schreiben möchte.

Manchmal begreife ich Menschen gleich, und manchmal dauert es, bis mir klar ist, was mit diesem Menschen los ist. Wie im richtigen Leben eben.

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