Chronik der Anfänge

Hier die ersten vier Sätze und ihr Lauf durch die Jahre. Warum die Änderungen? Weil sich meine Sicht auf den Roman mit seinen Fassungen änderte.

Aber jedesmal beim Schreiben war ich sicher: Das wäre nun der definitive Romanbeginn.

21.1.2007: Von mir werden Sie nicht hören, wie ich mich gefühlt habe. Aber was ich gedacht habe, das kann ich Ihnen sagen: Wer auch immer das Museum angezündet hat, er hat Bettina keine Chance gelassen. Denn sie riecht nichts. Hat nie etwas gerochen.

4.2.2008: Ich wollte Bettina noch einmal sehen. Sie hatten sie nach Wien überstellt, in die Gerichtsmedizin. Ein Dr. Müller begrüßte mich und sagte, ich möge mir nicht zu viel erwarten. Ich weiß bis heute nicht, was man von so einer Situation zu erwarten hat.

9.6.2009: Liebe Bettina, ich bin ruhiger geworden in den letzen Monaten. Das tut gut, und ich sage mir, dass du stolz auf mich bist, weil ich das alles recht gut meistere. Ich arbeite viel, ich habe also gar nicht mehr so viel Zeit zum Denken, zum Herumdenken, zum Im–Kreis–Denken, aber heute, heute also wieder das Gerichtsmedizindenken, das ganze Programm inklusive Dr. Müller. Wie er vor mir gestanden ist.

29.10.2009: Du bist am 17. Oktober gestorben, Begräbnis 3. November, und jetzt ist bitte sehr schon Februar. Bald wird Frühling sein. Sogar hier in Wien wird wieder etwas wachsen – das alles könnte doch irgendwann einmal bitte verdammt nochmal endlich vorbei sein! Obwohl: es hat ja Fortschritte gegeben.

27.7.2010: Ich könnte beschreiben, wie es war, als ich es erfuhr. Dieser Telefonanruf von deinem Vater. In der U–Bahn. Er fragte mich: »Weißt du es schon?«

22.2.2011: Ich wollte dich noch einmal sehen. Der Pathologe sagte, ich sollte mir nicht zu viel erwarten. Ich weiß bis heute nicht, was man normalerweise in so einer Situation zu erwarten hätte. Er führte mich in einen gekachelten Raum.

2 Gedanken zu „Chronik der Anfänge“

  1. Mir gefällt dieser neueste Einstieg auch am besten, weil
    .) im ersten Satz „Ich wollte dich noch einmal sehen“ sowohl die Beziehungsgeschichte als auch die krasse Trennung kürzest eingeführt wird.
    .) weil mit der Erwähnung des Pathologen die Spannung gleich unter die Haut geht. Und ich als Leserin mit dem letzten Satz gleich vor Ort bin- brr, kalt läuft es mir herunter, auch ob des gekachelten Raumes.

    Nur mit dem zweiten Satz „Ich weiß bis heute nicht…zu erwarten hätte.“ kann ich nichts anfangen. Er kommt mir als Füllsatz (wofür?) vor. Ich würde ihn an dieser Stelle ganz weglassen oder ev. als vierten Satz verändert anschließen, etwa so:
    Die Situation kam mir so ??? vor, ich habe bis heute keinerlei Ahnung,was von mir erwartet werden würde.
    (Dann wäre es auch geordneter, filmisch;-) erst das Außen abgefahren für das Auge, dann ins Innere gezoomt zu den Gedanken.
    Es gibt vom Verhalten in so einer Situation kein „normalerweise“ ;-) ist die Situation schon nicht normal in der Prosektur zu landen und jeder der dort einen /geliebten/ befreundeten /bekannten/ Menschen besucht, reagiert sehr subjektiv.

  2. Zugegeben, ich bin kein Insasse einer Heil- und Pflegeanstalt und fand mich heute morgen auch nicht in meinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt, aber die letzte Version rockt.

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