Hochzeitsansprache

Folgende Rede hielt ich 2009 auf einer Hochzeit:

Alexander ist ein Mann.

Ja, Sie lachen! Aber: das hier ist keiner dieser leichten Scherze, die man so macht, bei Hochzeiten – da lädt man sich jemanden ein, und der soll etwas Anstößiges erzählen, man ist ja ach so aufgeschlossen! Und man möchte das Gesicht der Eltern beobachten, wenn das eine oder andere über den Bräutigam behauptet wird, rein um zu provozieren.

Aber das hier ist nicht witzig. Denn was bitte sehr soll witzig daran sein, ein Mann zu sein? Stellen Sie sich das vor, was ein Mann so tut, wenn er alleine ist – nein, gar nicht den ekeligen Akt als solchen, es reicht das Nachher, wenn dieser Mann mit klebrigen Fingern auf die Laptoptastatur greift, um das Video zu schließen. Sie sehen, das hat nichts Witziges.

Ah! Allmählich sickert es in Ihre Köpfe, nicht wahr?

Sie denken das O–Wort. Hat er sich also operieren lassen? Sie denken an den Mut, sich mit ungewissem Ausgang unters Messer zu legen. Und mit Wehmut schauen Sie zu ihrem Lebenspartner an Ihrer Seite und denken sich: Mein Gott, was wäre alles möglich gewesen, wenn er nicht so ein Feigling wäre und auch den Schritt zum Schnitt getan hätte! Und so denken Sie sich, der Alexander, die ist ja schon ein verwegener Hund. Deshalb also hat er sich so lange nicht gemeldet. Klar, mit wundem Schritt da kann man nicht so ohne weiteres in den Club gehen.

Aber ich sage euch: Es war keine Operation!

Sie denken: Hä? Wie dann? Alleine die Schwangerschaften, wie soll das gehen? Er kann ja seine Kinder nicht wegleugnen. Karl zum Beispiel, sein ältester, der arbeitet recht erfolgreich in der Gastronomie – wenn Sie heute ein Glas Sekt in Händen hielten, dann hatten Sie es von ihm serviert bekommen. – Hallo, Karl! – Er ist der im Rock, dort drüben.

Ich spüre förmlich, wie Sie nachdenken. Ja, da gab es Zweifel. Gerüchte. Und was sie sich immer schon gefragt haben, wie Alexander die vielen Hormone verträgt, die eine Frau nehmen müsste, um so männlich zu wirken … Sie überlegen sich: die etwas fliehende Stirn, die Überaugenwülste, ja, das sind die anatomischen Klassiker, aber wenn man mit einem Menschen Jahre zu tun hat, dann vergisst man leicht, was der erste Eindruck war…

Ich helfe Ihnen.

Es ist einfacher als Sie denken.

Diese beiden Kinder sind nicht Alexanders leibliche Kinder – sorry, Karl, wenn du das jetzt so erfahren musst! Alexander hat dich sicher immer noch ganz lieb, und er lässt dir ausrichten, dass du deine sexuelle Ausrichtung finden wirst und dass der Grund, dass du deinen Vater nicht gefunden hast, darin liegt, dass du deine Mutter suchen solltest.

Bitte beruhigen Sie sich wieder, und vor allem: trösten Sie Karl!

Alexander also ein Mann. Als Mann wird man ja nicht geboren, zum Mann wird man nach der Geschlechtsreife. Was Alexander genau zum Mann gemacht hat, darüber habe ich nur Vermutungen, vielleicht reden Sie ihn darauf an. Alexander hat damals viel Zeit mit Stephanie und mit mir verbracht – Stephanie ist übrigens heute auch hier, mit ihrer Frau, sie organisiert das Fest hier – Hallo Stephanie! – wie gesagt, wir waren zu dritt auf Urlaub. Eine von uns hat immer Küchendienst gemacht, und das war meist Alexander. Er ging zum Markt, jeden Morgen frische Gurken – und ich schwöre, ich habe niemandem davon erzählt. Klar, in meinem ersten Roman, „Spiel mit der Gurke“ waren Andeutungen zu erahnen, und in die Kurzgeschichte „Peinliche Röntgenbilder“ habe ich etwas von unseren Besuch im Unfallkrankenhaus einfließen lassen. Mit meinem Kinderbuch „Hilfe, meine Mami ist ein Mann“ habe ich gezeigt, wie man sich seinen Kindern auf sensible Art mitteilen könnte. Aber es können noch so viele Andeutungen herumschwirren, die Menschen nehmen doch nur wahr, was sie wahrnehmen wollen – ein gutes Beispiel dafür … lassen Sie mich nachdenken … das sind Sie. Sie alle.

Aber der Hammer kommt noch!

Na, habt ihr euch Bettina schon einmal angeschaut? So richtig angeschaut? Na? Ihre gerade Nase? Die Hüften? Die dichten Haare? Die Stimme? Die glatten Wangen? Na? Und?

Ja, richtig! Bettina ist eine Frau!

Überlegen Sie einmal: Wenn Alexander ein Mann ist und Bettina eine Frau, dann passt ja wiederum doch alles zusammen! Überrascht, nicht wahr? Ob es Zufall oder eine Intervention des Schicksals ist, darüber zu grübeln überlasse ich Ihnen. Ich will mich einfach nur mit dem Paar freuen, und darüber, dass alles so gut gefügt ist.

Auf das Paar!

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