2. Stephanbrief – Die Prüfung

Ihr kommt zu mir und bittet mich um Worte,
damit ihr Viola versteht.
Ich aber jage euch hinfort,
zu den Kranken, zu den Armen,
in die Küchen, in die Werkstätten,
zur Arbeit auf dem Felde und in den Häusern.
Und sollte sich jemand erdreisten und sagen:
„Ich verstehe Viola, und ich kann sie mit Worten erklären“,
den werde ich aus der Stadt treiben, mit Peitsche und Pike.

Denn nicht mit dem Verstande ist sie zu verstehen,
nur sondern durch eure Taten
wenn ihr dem Blinden den Brei hinstellt
und seine Hände an die Schüssel legt,
damit er selbst essen kann,
wenn ihr in die Krankensäle geht,
zu den brandigen und den Alten, und sie wascht,
wenn ihr ans Ufer geht, an jene Stelle,
wo das Plätschern die Vogelgesänge übertönt,
wenn ihr nichts besseres esst als das, was ihr den Ärmsten reicht.

Ihr kommt zu mir und bittet mich um Leitung.
Ihr fragt mich, was nun werden soll, solange Viola fort ist.
Aber ich werde euch nicht leiten, denn:
Viola ist diejenige, die euch leitet, immerzu.
Darum fragt nicht mich, fragt euch:
was würde Viola an eurer statt tun?

Geht Ihren Weg – weicht niemals ab!
Stellt euch den Zweifelnden, die euch angreifen und sagen:
»Wer ist Viola? Ein Weib ist sie! Wer hört schon auf ein Weib?«
Ihr habt es einfach! Ihr braucht nur Violas Weg zu folgen.
Denn ihr seid geleitet.
Aber Viola war von keinem Menschen geleitet,
sondern von Jesus unseren Herren.
Ihr Weg war euch der erste. Eure Wege sind die zweiten.

Ihr kommt zu mir und sagt, dass ihr Hunger habt.
Ihr zeigt mir, wo ihr blutet, ihr zählt auf, was ihr verloren,
Ihr bittet, ich möge euch schonen,
weil eure Kinder tot sind und ihr nicht mehr könnt.

Ich aber rufe euch zu: Ihr atmet doch noch!
Und wer atmet, der kann die Leichen von den Gassen sammeln
der kann Stein auf Stein schlichten
kann die Breschen in der Stadtmauer flicken
kann aus Baumstämmen Gebälk zimmern
kann den Verletzten die Kugeln aus dem Leib schneiden
und die Alten und die Kinder waschen und die Felder bestellen
kann die Kühe melken und den Waisen das Lesen lehren.
Die Waisen! Vergesst niemals die Kinder,
damit sie wissen, was zu tun ist,
wenn der Krieg wiederkommt.

Denn die einen sind stark durch Kanonen,
die andern stark durch Rosse,
wir sind stark durch den Namen Violas.
Die anderen sind gestürzt und gefallen,
wir aber bleiben aufrecht und stehen.

Dies hier sei eure Prüfung.
Merket, dass nichts von dem, was ihr durchlebt,
dem gleicht, was Viola ertragen hat.
Denn sie hatte keine Leiterin so wie ihr.
Alles an Ihr musste aus Ihr heraus sein.
Ihre Kraft nicht nur für sie selbst, sondern für euch alle.
Ihr, die mir eure Leiden und eure Müdigkeit schildert,
ihr müsst doch nur für euch sein,
nur tun, was getan sein muss!
Darum geht hinaus und arbeitet und danket dem Herren
Damit ihr Viola aufrecht ins Antlitz sehen könnt,
auf dass Ihr Lächeln euch den Tag krönt.
Denn Viola spürt, wer ohne Fehl ist.
Sie braucht keine Worte, um euren Weg zu erkennen.
Und so braucht auch ihr keine Worte,
wenn euer Weg der von Viola ist.

Darum: Steht auf! Schwätzt nicht!
Und wenn ihr spürt, dass sie neben euch einher geht,
dann wisst ihr, dass ihr dem rechten Weg folgt.

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