Tod des Antiquitätenhändlers

Ich fuhr nach Wien, mit dem Zug. Zu Fuß durchquerte ich die Innenstadt und ging zum Antiquariat. Ein Geschäft mit zwei Schaufenstern. Ich drückte meine Nase an das Glas, meine Hände zu Scheuklappen, damit ich hineinsehen konnte. Polierte Biedermeierschränke. Gepolsterte Sessel mit geschwungenen Lehnen. Kleine Ölbilder mit dunklen Landschaften. Eine Vitrine mit bemalten Porzellanfiguren: ein Junge tollt mit seinem Hund umher – ich hatte nie einen Hund. Ein Mädchen spielt Laute – ich hatte nie ein Instrument erlernt; ein junges Paar verliebt auf einer Parkbank – ich hatte nirgends in diesem Schaufenster Preisschilder entdeckt. Ein Foto auf einem Tischchen. Metallrahmen mit schwarzer Schleife. Das Portrait eines Mannes im Pensionistenalter. An der Glastür das handgeschriebene »Wegen Trauerfalls geschlossen«, und dennoch unversperrt. Eine elektrische Klingel machte Lärm, auch als die Tür hinter mir ins Schloss fiel. Sofort stand die Frau vor mir.

»Wir sind geschlossen«, so sagte sie es.

Ich redete sie an, auf das, was passiert war, und sie erwiderte: »Was wissen Sie denn schon, wie das ist.«

»Glauben Sie mir, ich weiß es«, sagte ich.

Sie führte mich in das Büro. Gestreifte Biedermeiertapete mit Blumenmuster. Ein Stuhl aus geschwungenem mit Lederner Sitzfläche vor einem Biedermeiersekretär. Auf und zu so einem Tisch passt kein Laptop. Hier will die Feder in das Tintenfass getunkt sein, um Worte sind auf handgeschöpftes Papier zu kratzen. Blut hatte die Politur zerstört. »Der muss in die Werkstatt. Aber ich bin noch nicht soweit«, sagte sie.

Wir schwiegen eine Weile, gemeinsam.

»Ich bin noch nicht so weit«, sagte sie.

Sie zog eine leere Schublade aus dem Tisch. »Hier haben die Polizisten den Viola–Ring gefunden. Ein Ring! Was macht mein Mann mit einem neuzeitlichen Ring? Seine Welt ist das Biedermeier.«

Sie fügt ein »gewesen« an.

Das Schlimmste sei der Vorwurf. Sie stützte sich auf dem Sekretär ab, versehentlich auf dem Blutfleck. Sie riss die Hand hoch und legt sich die Finger sich an die Wange. „Mein Mann war doch niemals ein Hehler. Wir haben das gar nicht nötig.“

Ich fragte sie, was mit dem Fußboden war. Dort, wo der Teppich endete, war eine Stelle mit vier Schrammen im Parkett. Splittrige, helle Rillen. Ich beugte mich hinunter und fasste einen herausstehenden Splitter an. Sie sagte, dass sie sich diese Kratzer auch nicht erklären konnte. Es käme ihr vor, als hätte ein Tier seine Pranke ins Holz geschlagen.


Entnommen der 1. Fassung meines momentanen Romanprojekts. Es findet in der jetzigen (7.) Fassung keinen Platz mehr.

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