Sofort wird der Betrachter mit seinen Blick in das Zentrum getrieben, in das Getümmel aus Pferdeleibern, Reitern, Fußvolk und Leichen. So dicht, dass jeder Hieb einen Aufschrei hinterlässt, jeder Stich einen Blutschwall öffnet, jeder Schuss das Fleisch zerreißt. Es gibt kein Ausweichen mehr, bloß ein Aufbäumen und ein Hinabsinken. Hinter dem Getümmel ein Horizont aus Licht, der die hochgereckten Schwerter glänzen lässt, aber die Gesichter zu Schatten macht. Das ist das Licht der brennenden Stadt, und obwohl die ganze Stadt, ja die ganze Welt zu brennen scheint, reicht das Feuerlicht kaum über aufragenden Lanzenspitzen hinaus – denn von oben drückt dunkel durchwobener Rauch. In so einer Welt hätte eine Sonne gar keinen Platz. Denn das hier passt nicht in ein Tageslicht, aber eine Nacht will sich auch nicht recht einstellen. Und die Jahreszeit? Hier grünt nichts, hier welkt nichts mehr, und von einem Mantel aus Eis und Schnee ist auch nichts übrig.
Rechts oben, dem Bilderrahmen schon recht nahe, die Burg. Sie passt nicht recht in das Gemälde. Zu unversehrt überragt sie das Gemetzel. Monolithisch, wie aus einem einzigen Felsstück gemeißelt. Groß scheint sie zu sein, denn rund um sie ist nichts mehr übrig, das vergleichsweise Kleinheit aufzeigen könnte. So eröffnet sich dem Betrachter der Zusammenhang: erst wenn diese Burg zerstört ist, wird das Gemetzel in sich zusammen fallen.
Wenn sich der Betrachter nun noch etwas Zeit gibt und den Blick schweifen lässt, wird er auch jene zwei Figuren bemerkt, die links in den Vordergrund gesetzt sind. Vielleicht fallen sie deshalb nicht ins Auge, weil sie so unbehelligt wirken. Der ältere, hoch zu Ross, mit glänzendem Harnisch, mit ernstem, bärtigem Gesicht. Ihn rühren weder Pferdekadaver noch bleiche Menschenreste. Er gehört zu jenen, die schon dermaßen viel Schmerz in sich tragen, dass ihn das Leid der anderen nur schwerlich rührt. Sein Schmerz kommt mit jeder Bewegung, steckt in jedem seiner Gliedmaße. Von seinem Pferd wird er nur mit fremder Hilfe herabsteigen können. Er ist General der Schweden. Seine Geißel ist die Gicht.
Der andere, der jüngere, hat schulterlanges, lockiges Haar. Auch er trägt Schmerz in sich. Sein Gesicht ist glatt und grau, so wie ich es vom Spiegel kenne, morgens, wenn ich in meine Leere schaue. Ich hebe meinen Arm und deute zur Burg. Daraufhin hebt der General den Blick, doch ohne den Kopf zu bewegen. Jetzt die Detonation. Mauerwerk und Leiber spritzen empor, sind schwarze Punkte vor der Burg, die im hellen Licht zerbricht.
Entnommen der 1. Fassung meines momentanen Romanprojekts. Es findet in der jetzigen (7.) Fassung keinen Platz mehr.