(Dieser Text stammt aus dem Jahr 2004 und war als Vorgeschichte zum Roman „Die Archäologin“ angedacht. Die Personen: Der Fürst eines Reiterheeres, das aus dem Osten kommt; Acheio, sein ältester Sohn; Osobo, sein zweitgeborener Sohn. Die Handlung spielt im Jahr 1044 v.Chr. Der Fürst ist eben dabei, eine ihm fremde, bronzezeitliche Siedlung im östlichen Weinviertel zu erobern.)
Dem Fürsten steht eine gebückte Frau im Weg. Zerbrechliche Statur, das Kleid aus grobem Stoff, ihr Stock ragt über sie hinaus. Die Haare silbrig, die Augen hell. Sie versperrt dem Fürsten und seinen Kriegern den Weg durch das Tor. Er gibt dem Pferd die Sporen, das Pferd scheut wie vor einer Schlange, ein Wiehern wie ein Schrei. Der Fürst kommt der Alten nahe, so nahe es das Pferd zulässt, und ruft: „Aus dem Weg!“
Sie verharrt unbewegt, das Pferd bleibt unruhig. Sein Fell fühlt sich nass an.
„Fort mit dir!“, ruft der Fürst, „Oder willst du sterben?“
„Ja“, sagt sie, geflüstert. Sie hebt den Kopf, schaut zum Fürsten herauf. „Sobald meine Zeit gekommen ist.“
Das Pferd bäumt sich auf, der Fürst reißt die Zügel zurück, die Trense schneidet sich in sein Maul, endlich hört es auf, umherzutänzeln.
„Warum bist du hier?“, fragt der Fürst.
„Ich kämpfe.“
„Mit deinem Stock also kämpfst du gegen uns?“
Die Alte schüttelt den Kopf und sagt: „Ich kämpfe für das Leben deiner Frau.“
Sie schließt die Augen.