Jeder geht mit Trauer und Verlust anders um, klar. Doch wenn ich einen Charakter baue, der dann orientiere ich mich vorerst am jeweils gängigen Verhalten. Später erst konstruiere ich mir aus diesem Üblichen das ganz Spezifische meiner Romanpersonen – indem ich es mit meinen eigenen, ganz persönlichen Erfahrungen vermenge.
Eine gute Quelle ist Kübler-Ross. Sie geht auf das Sterben aus der Sicht des Sterbenden ein und sieht folgende Verhaltensweisen (die nicht in dieser Reihenfolge passieren müssen):
1) Nichtwahrhabenwollen und Isolierung
2) Zorn
3) Verhandeln
4) Depression
5) Akzeptanz
Es muss ja auch nicht immer ums Sterben gehen – ähnliche Verhaltensmuster eröffnen sich mir bei Alltäglichkeiten, etwa, wenn ich meinem Kind das Fernsehen verbiete – dann macht es auch solche Phasen durch, manchmal innerhalb weniger Minuten :-)
Die Kübler-Ross’schen Verhaltensweisen lassen sich gut auf andere Verluste ummünzen. Im Roman kann ich diese Verhaltensweisen einer Person, aber auch unterschiedlichen Romanpersonen zuordnen; ich kann die Personen zwischen Verhaltensweisen hin- und herspringen lassen. Das macht deutlich, in welcher Ausnahmesituation sich die Personen befinden.
Diese beschriebenen Verhaltensweisen werden auch bei einschneidenden Veränderungen im beruflichen Kontext durchlebt. Solche Veränderungen können einschneidende Personalabbaumaßnahmen sein, Firmenfusionen, groß angelegte Restrukturierungen. Diese und andere Beispiele können ebenfalls ein Gefühl der Trauer hervorbringen. Solche Situationen sind immer mit dem Verlust von (Job)sicherheit, vertrauten Prozessen und Strukturen verbunden.