Ich fuhr nach Innsbruck, um zum Thema Herztransplantation (HTX) zu recherchieren. Am Tag nach meiner Ankunft traf ich H. Er war Universitätsprofessor, Spezialist für Herzerkrankungen bei Kindern. Wir besprachen die Krankengeschichte meiner 12jährigen Romanperson Angelika (Sie hatte als Vierjährige Leukämie. Das Chemotherapeutikum Rubidomyzin schädigte ihren Herzmuskel. Eine HTX ist unausweichlich, will sie langfristig überleben.)
Wir sprachen über schwerkranke und sterbende Kinder. Wie wichtig es ist, dass alle beteiligen denselben Informationsstand haben. Dass Kinder weit mehr verstehen, als Erwachsene glauben. Dass man den Kindern nichts vormachen kann – wie es um sie steht, lesen sie in den Gesichtern von Ärzten und Pflegepersonal. Dass Kinder das Atmosphärische wahrnehmen, dass sie aufpassen wie die Haftelmacher. Und wie sehr es eine Familie zusammenschweißt, wenn sie offen über alles reden kann.
Wir redeten über die »Life Time Curve« – also die Wahrscheinlichkeit, mit dem neuen Herzen ein bestimmtes Alter zu erreichen. Ein Sterben wegen verweigerter HTX ist ein schwerer Weg, aber auch eine HTX und das Leben danach ist ein schwerer Weg.
H. sagte, man kann eine HTX nicht gegen den Willen eines Kindes durchführen (dies ist wichtig für meinen Roman). H. erzählte von einem Kind, das sich bei ihm gegen die HTX gewehrt hatte. Irgendwann erhielt er einen Brief, dass das Kind gestorben war – in einem entfernten Krankenhaus, knapp bevor eine HTX durchgeführt werden sollte. H. telefonierte mit der Mutter. Sie sagte, ihr Kind hatte ihrem Drängen nachgegeben. Knapp vor der Operation starb es, plötzlich. Die Mutter sagte: »So hatte mein Kind am Ende doch noch seinen Willen durchgesetzt.«
Am Ende bot mir Prof. H. weitere Unterstützung an, sogar medizinische Teile meines Romans würde er gern korrekturlesen.
Unser Gespräch dauerte zwei Stunden. Danach war ich erschöpft.