Damit es unter die Haut geht. Bilder als literarisches Werkzeug.

Ein Bild bildet ab: von der Welt des Autors in die vertraute Welt des Lesers. Ein Bild sorgt dafür, dass eine Aussage besser zum Leser durchdringt. Denn durch das Bild bedient sich der Autor der Alltagssprache des Lesers.

Sehen wir uns zwei Beispiele an. Sie stammen beide von Herbert Zands Roman „Letzte Ausfahrt“. Zand sagt nicht, dass der Krieg schrecklich ist – er vermittelt es uns. Er transportiert für uns den Krieg in eine Sprache, die wir verstehen – wir, die noch nie einen Krieg erlebt haben. Und dies tut er mit wenigen Worten, denn seine Bilder sind treffsicher.

Dabei bedient er sich schöner Bilder, die ganz im Gegensatz zum Gräuel stehen. Im ersten Text ist es eine Pappelallee, im zweiten ist es ein Organismus mit pulsierendem Herz und Aderngeflecht.

Wie schwarze Pappeln einer nächtlichen Allee standen die Einschläge aufgereiht längs den Straßen. Ihre Kronen verbreiterten sich und wallten ab vor leichtem Wind über den grauen Feldern des Vorfrühlings. Der Anblick war rein äußerlich fast schön, zugleich grotesk, zugleich furchtbar. Und dann bog diese Pappelallee plötzlich ab von der Straße und sprang in großen Sätzen über das Feld nach Osten. Nach einer Weile sahen sie, was geschah: Die Division im Frontbogen versuchte, mit Lastautos und Schleppern über die aufgeweichten Äcker her durchzubrechen, Autorudel, Autoherden kamen herangeschwankt, schwarze Schildkröten mit schief sitzenden Hauben aus immergrünem Gebüsch. Dazwischen jetzt der schwarze Pappelwald, den die Flieger in sie hineinpflanzten, die grauroten Feuerfahnen, die sie ihnen zuwarfen, und die das eine oder andere Fahrzeug bald hinter sich her durch den Schmutz schleifte.

Jetzt jedoch konnten sie auch hinabsehen in die weite Talebene des Nordwestens, wo die Schlacht im Gange war, und wie vorhin am Himmel, sahen sie die langen Ketten, nur daß sie diesmal einem Geäder glichen, einem großen Flechtwerk. Nicht mehr zehn oder fünfzehn Glieder hatten diese Ketten, die dort über dem Boden hinhuschten, sondern unendlich viele mehr, unzählbar viel mehr, denn sie verschwanden schon wieder, kaum dass man sie sehen konnte. Ein Netz von entzündlichen Adern war das große Becken, in dem der Gegner eingebrochen war. Die Linien überschnitten sich vielfach, wechselten in ihren Farben, wechselten in der Intensität ihrer Strahlungskraft, ähnlich dem Auf- und Abglühen mancher Sterne, dem Sichdrehen der Lungen, dem Schlag des Herzens. Tausende von Schützen und Kanonieren mussten an ihren Waffen sitzen und liegen, um dieses Geäder hervorzubringen, es schlangenhaft herauswinden aus Munitionskosten und Patronenkästen, keiner achtete auf den anderen, und dennoch waren sie eingespannt in einen Rhythmus, untertan einem Gesetz, das dem sich eröffnenden Bild zugrunde lag, sie funktionierten wie Systole und Diastole des Herzens, ob sie sich nun Freund waren oder Feind, sie gehörten zusammen, sie waren ein einziger großer Körper, der Organismus der Schlacht.

Ein Gedanke zu „Damit es unter die Haut geht. Bilder als literarisches Werkzeug.“

  1. Ihre Texte gefallen mir hier wirklich sehr gut ! Ich Lese gerne Science Fiction Bücher in denen immer sehr viele „Details“ beschrieben werden und bei diesen Texten hier fühlte ich mich daran erinnert.

    Gerade Geschichten über den Krieg können sehr gut ausgeschmückt werden um die Emotionen zu verdeutlichen die fort „stattgefunden“ haben.

    Respekt, ich würde gerne mehr davon lesen !

    Mfg, Chris

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