Da treffen sich drei Autoren und bereden eines der brennenden Schreibthemen:
Du darfst nicht überarbeiten,
denn überarbeiten ist eine Lüge!
Du betrügst deine Gedanken!
Den Fluss und den Rhythmus und das
Heraussprudeln der Worte anzutasten,
ist Verrat und Sünde, Martin.
Es ist eine Sünde.Ich lehne deine katholische Interpretation…
meines Zwangs, alles hundertmal
neu zu schreiben, ab.
Schuld ist der Schlüssel.
Nicht Sünde.
Die Schuld, nicht mein Bestes zu geben.
Die Schuld, nicht alles aus jedem Blickwinkel zu betrachten.
Ausgewogenheit.Was ist mit der Schuld, deine
besten Gedanken zu zensieren?
Deine ehrlichsten, primitivsten Urgedanken?
Darauf läuft deine Überarbeitung hinaus.Ist Überarbeitung wirklich Zensur, Bill?
Ich bin komplett gefickt wenn es so wäre.Vertilge alle rationalen Gedanken.
Das ist der Schluss, zu dem ich gekommen bin.(Naked Lunch, Romanverfilmung des Buches von William S. Burroughs)
Das ist eine spannende Frage, denn wenn man sich im Netz oder in den Schreibschulen so umsieht, wird man das Gegenteil hören. Die Autoren, die Coachings anbieten, also davon leben, Tips an Autoren weiterzugeben, stöhnen ja öfter, daß die Autoren so änderungsresistenz sind und wenn man zu literaturcafe.de geht, hat man da ein Leipziger-Buchmessen-Video, wo Wolfgang Tischer das Besipiel erzählt, der Verlag will, daß der Autor eine Figur nicht sterben läßt, weil das die Leser angeblich nicht wollen und der Aprilscherze war, Amazon, der Selbstpublisher-Helfer bietet eine Software an, wo man erkennt, wo der Leser zu gähnen anfängt und zu lesen aufhört, damit mans ändern und mehr an den Texten verdienen kann! Das ist Kapitalismus pur denke ich und so will ichs eigentlich nicht. Die Urform, die mir vorschwebt, wäre eigentlich auch, ich schreibe es im (hoffentlich nur) Schreibrausch hinunter, die Welt ist begeistert und der Nobelpreis mir sicher.
Für die Beatgeneration, den großen Goethe etc ist das vielleicht noch gegangen, heute wo schon wirklich alles hundertmal geschrieben wurde, geht das vielleicht nicht mehr.
Trotzdem bin ich da vorsichtig und denke, die Coaches sollten ihren Kunden auch die Freiheit lassen, die Regeln zu brechen, denn sonst bräuchten wir ja keine Autoren mehr, sondern können uns die Literatur ja auch von Schreibprogrammen schreiben lassen, die schon wissen auf welcher Seite es spannend sein muß, etc…
Die Wahrheit liegt wohl wieder in der Mitte. Die Regeln lernen und sie dann auch brechen, denn nur so wirds individuell und so findet man seinen eigenen Stil. Dazu braucht man Feedback und aufmerksame Leser, wenn alle nur mehr selber schreiben und nicht mehr lesen wollen, ist das sehr schwer. Aber weitermachen, nicht aufgeben und ich, die ich ja wirklich nicht so viel korrigiere, habe jetzt auch gehört, ich soll bei meinen Literaturgeflüsterartikel aufpassen und ja nicht so viel wegstreichen um ihre Eigenart nicht zu zerstören. In diesem Sinn noch einen schönen Schreibesonntag!
Das ist sehr interessant (abgesehen davon, dass einen herr-lichen Einblick in eine Männer-Schreibwelt gibt *g*).
Ich fange gerade an, mit Musikern ein Text-Musik-Projekt zu entwickeln – und das erste, was mir dabei passiert ist: ich überarbeite ein paar Texte, die ich in letzter Zeit geschrieben habe, kaum – damit Spiel-Raum da ist. Ich habe vor kurzem sogar einen Satz, von dem ich weiß, dass er eigentlich „schlecht“ ist (weil ganz plötzlich und ziemlich unmotiviert von etwas die Rede ist, was sonst nirgendwo in diesem Text vorkommt und wo der Zusammenhang total unklar ist) einfach stehen gelassen, um zu sehen, ob während des Projektes etwas mit diesem Satz passiert oder nicht. (Außerdem verfolgt dieser Satz mich jetzt, wahrscheinlich aus schlechtem Gewissen, schauen wir mal, was daraus wird.)
In einem Schreiben, dass virtuelle Räume sehr konkret einbeziehen kann – Blogs, Videos, jede Menge Formate und Kanäle – fangen „gute“ und „schlechte“ Texte / Textfragmente – ein Eigenleben an. Dafür steht ja – unter anderem – auch dein Blogprojekt.