Großartig, dass du bei unseren kleinen Schreibwerkstatt bis zum Abschluss dran bleibst!
Mitmachen ist ja ganz einfach: du fügst deinen Übungstext als Kommentar an diesen Blogbeitrag, und danach gibst dein konstruktives/wertschätzendes Feedback zu den Texten der anderen.
So hilfst du anderen, genauso wie die anderen dir helfen.
Voraussetzung für diese Übung ist: Du hast die erste, zweite und dritte Übung bereits gemacht.
Hier die letzte Übung:
Schreibe einen kleinen Text über eine Person, die deine Wohnung besucht, und zwar aus Sicht dieser Person. Darin liegt der Reiz der Aufgabe: das, was dir vertraut ist, aus einem fremden Blickwinkel wahrzunehmen.
Ziel des Texts ist, einen Eindruck deiner Wohnung zu vermitteln; die Leserin soll das Gefühl bekommen, etwas von deiner Wohnung kennengelernt zu haben.
Die Person, die deine Wohnung besucht, ist jemand, die nicht in deiner Wohnung lebt (Freund, Einbrecherin, Kunde, Installateurin, Briefträger,…).
Vermeide Wertungen und Gedanken dieser Person. Du brauchst nicht alle Zimmer zu beschreiben – in der Kürze liegt die Würze.
Arbeite hauptsächlich mit den sinnlichen Wahrnehmungen (Was sieht die Besucherin? Was riecht sie? Was fühlt sich wie an? Siehe die Übung zu VAKOG), vermeide Schlussfolgerungen.
In der Wochenend-Schreibwerkstatt, die ich in den letzten Jahren gehalten hatte, war dies die Hausübung gewesen – mit dieser Aufgabe wurden die Schreibenden in den Samstagabend entlassen, und die Ergebnisse wurden Sonntag Früh besprochen.
Der Sonntag war der Tag, wo wir uns nochmals die Ziele der Schreibenden ansahen – in Hinblick auf die oft fundamentalen Erkenntnisse des Samstags – und in den verbleibenden Übungen konsequent darauf hinarbeiteten. Für Sonntag gab es keinen vorgefertigen Ablauf mehr – jedem Teilnehmer gab ich jene Übungen, die er gerade brauchte. Ja, ja, mit den Jahren kam schon ein ganz großer Bauchladen an guten Übungen zusammen.
Ich hoffe, euch hat diese meine kleine Online Schreibwerkstatt Spaß gemacht, und so wünsche ich euch viel Freude beim Schreiben und beim spannenden Austausch mit Gleichgesinnten.
„Der Installateur lief mit großen Schritten die Haustreppe hoch. Er hielt im 2. Stockwerk vor einer antiken hölzernen Türe mit einem Messingschild. Ja, hier war er richtig.
Er drückte fest auf den roten, runden Klingelknopf und hörte fast gleich darauf Schritte die sich der Tür näherten. Eine große schlanke Frau mittleren Alters öffnete ihm und erwiderte mit einem flüchtigen Lächeln seinen Gruß. Sie ließ ihn in den großen Eingang. Die Möbel waren aus Holz, die Töne warm und mit viel Rot. Ein kurzer Blick auf Schulranzen und Anoraks reichte ihm um sich zu versichern, dass in dieser Wohnung Kinder lebten. Doch in der Wohnung war es in dem Augenblick still. Es roch nach Mittagessen und Raumdiffuser.
Die Frau begleitete ihn in die angrenzende Küche. Auch hier überwog warmes Holzmobiliar, nur das Küchenzubehör erschien hauptsächlich in hellen Grüntönen. Durch die halboffene Fenstertür wehte angenehm frische Luft. Die Deckenlampen beleuchteten den weißen Lack des Warmwasserboilers an der Außenwand. Der dunkle Steinfußboden schien eben gewischt worden zu sein, der Installateur versuchte, sich nicht schuldig zu fühlen während er mit seinen klobigen Arbeitsschuhen durch die Küche lief. Gut, sagte er und stellte zufrieden seine Werkzeugtasche auf den freien Tisch, dann wollen wir mal sehen, wo das Problem liegt.“
@ Eva
Deine Story ist zwar schon von 2012 aber vielleicht guckst du ja trotzdem nochmal rein:
ich mag deine Idee mit dem Weinverkäufer, der schwarz ist. Mal unabhängig von der Aufgabenstellung bietet das sehr viel Fläche für eine interessante Geschichte.
Ich kann mir die Wohnung schon ganz gut vorstellen. Ich stelle sie mir als eine nette, gepflegte Wohnung in einer eher kleineren Stadt wie Münster vor, in der zwei Akademiker wohnen. Aber die Atmosphäre finde ich sehr schwer zu fassen. Ich glaube der Text hat noch zu viele Adjektive. Ich würde an Beschreibungen mit Adjektiven kürzen und noch mehr darauf achten die Atmosphäre zu zeigen. Vielleicht kann der Mann ja etwas Wein verschütten. Je nach dem, wie die Leute reagieren, kann man sich dann ein besseres Bild machen. Oder die Leute quetschen die Weinflaschen zwischen all die Bücher (wenn es ein sehr intellektuelle Wohnung ist), weil sie sonst keinen Platz hätten. Oder wenn alles eher ordentlich und langweilig ist, dann könnte es ja etwas geben, was nicht zu dieser Ordnung passt, was irgendwie raus sticht und eine Handlung provoziert.
Liebe Grüße,
Lisa
Innerhalb weniger Minuten landeten die Fernbedienung, das Telefon, die Pantoffeln und ein Buch über journalistisches Schreiben im Mund des Babys. Hinter sich her zog es eine Spielplatzspur, die aus Sand und den Einzelteilen einer halb verdauten Breze bestanden. Henk, der IKEA Möbelmonteur, stellte das Billiregal auf das, was einmal eine Jogamatte gewesen war.
„Ich geh mal mit dem Baby in die Küche. Am Besten machen Sie die Tür zu, mein Sohn hat grad so ne schreckhafte Phase.“, sagte die Bewohnerin. „Ach ja, Sie müssen sich einschließen, sonst springt die Türe immer wieder auf. Also drehen Sie ruhig den Schlüssel rum.“
Henk wollte noch nach einem Glas Wasser fragen, aber die Frau war schon aus dem Zimmer. Egal, dachte er, sonst muss ich eh nur wieder bieseln. Er stellte die Bretter auf und stieß dabei fast an das Druckposter, auf dem ein Weinetikett mit der Geschichte vom Unglücksraben Hans Huckebein abgebildet war.
„Soll I Ihnen des Regal auch an die Wand schraubn?“ fragte Henk und guckte vorsichtig in die Küche. Die Frau hatte einen Kochtopf mit Spinat vor sich stehen.
„Die Wände bei so a oidem Bau san porös, wenn man´s ned gscheid macht, komm des Ihnen noch entgegen.“
„OK, das wäre natürlich super. Vielen Dank.“, sagte die Frau.
„Kein Thema. Und wo hin soll I´s hängen?“, fragte er. Die Frau balancierte den Löffel über den Hochstuhl. Bevor sie den Babymund erreichen konnte, wurde sie von einer ungeduldigen Babyhand abgefangen, die den Löffel an sich riss und den Spinat auf die Fliesen schleuderte.
„Schauen Sie doch einmal, wo´s Ihnen am Besten gefallen würde und machen Sie´s dann einfach da hin.“
Oh, ein feedback, vielen Dank dafür, habe ohnehin schon darauf gewartet, auch einmal was über meine Texte zu hören und dabei noch ein wirklich konstruktives, von denen ich mir einbilde, noch nicht so viele bekommen zu haben. Und auch gleich ertappt, stimmt wahrscheinlich, daß ich beim Schreiben wahrscheinlich wirklich mehr bei dem Mann, der tatsächlich einmal mit seinen Weinen in meine Wohnung kam und nicht in meinem Zimmer, das ich schon kenne, gewesen bin. Für mich passt diese Themenverfehlung auch, ist nur gut zu wissen, wie es rübergekommen bin. Wo ich mich wirklich ertappt fühlen sollte ist die „freundliche Atmosphäre“, und das ist ja eine Bewertung, die man nicht schreiben sollte, also nochmal vielen Dank. Jetzt habe ich noch etwas gelernt, was ich für das Korrigieren meines Textes, mit dem ich die nächste Zeit beschäftigt bin, mitnehmen will
Liebe Eva Jancak:
darf ich mich vorstellen: Ich kann nur über das schreiben, was ich erlebt habe, nur über Dinge schreiben, die ich selbst gesehen habe, nur über Gefühle schreiben die ich selbst erlebt habe. ABER ich habe schon sehr sehr viele „feed -backs“ zu Texten gegeben ( und das über Jahre hinweg) und so erlaube ich mir zu diesem ( Deinen )Text ein feed back zu geben.
Der Text sollte ja eine „Übung“ sein,wobei das ZIEL des Textes GENAU deffiniert ist. …. nämlich einen Eindruck der Wohnung zu vermitteln, die auf diesem Bild abgebildet ist. Der Leser soll das Gefühl bekommen,etwas von Deiner Wohnung kennengelernt zu haben…..( ich habe mir Deinen Text mehrfach durchgelesen und vorher genau den Text ( bezw, die Anforderung von Thomas) Aus Deinem Text habe ich sehr gut die Verhältnisse des schwarzen Weinverkäufers ( besser gesagt Weinvertreters) kennengelernt.Sehr einfühlsam hast Du die Verhältnisse beschrieben in denen er lebt ( ja für ihn ist eine derartige Ansammlung von Büchern wirklich Luxus, weil in seinem Mutterland sind Bücher Luxus)Ich habe den Vetreter durch Deine Beschreibung gut kennengelernt. Er hat Angst, dass er das Geld für seine Familie nicht zusammenbekommt,er hat eine ( sehr gut !!) unterschwellige Angst, daß er als Schwarzer nicht so gut mit seinen Weinen ankommt, man spürt seine Scheu eine fremde Wohnung zu betreten…..ABER ich habe nach Ihrem Bericht kein Bild vor Augen, wie ich mir die Wohnung vorstellen kann.Es gibt viele Bücher und Blumen, einen Tisch mit Glasplatte, einen Sessel….aber ich weiß nicht wie der Sessel ausschaut und schon gar nicht, wie ich drauf sitze und eine „freundliche Atmosphäre“ in einer Wohnung kann ich mir nicht vorstellen. Was ist eine freundliche Atmosphäre?… helles Holz, das gut roch, kann ich mir schon eher vorstellen.
Fazit: ich habe den Schwarzen Weinverkäufer gut kennengelernt, ich weiß woher er kommt, wie er in seiner Heimat lebt,ich habe von der Armut seiner Verwandten gelesen …. aber die Wohnung wo sich der Weinverkauf abspielt , die habe ich NICHT kennengelernt.
Viele liebe Grüße Dorothea
P.S. mein BLOG: dorotheasreisen.com
P.S II Gibst du noch eine Rückmeldung, wie du diese Schreibwerkstatt erlebtest?
Urlaubend :-) ich schwamm im Meer, während hier an meinem Blog so schön fleißig gearbeitet wurde.
Lieber Thomas Wollinger!
Vielen Dank für deine kleine Scheibwerkstatt, an der ich mit Vergnügen teinahm und obwohl ich ja nicht gerade eine Anfängerin bin, sehr viel lernte. Vor allem hat es mich gefreut einen Einblick zu bekommen, was in so einer Schreibwerkstatt, die jetzt sehr empfohlen werden und ide, zu den Zeiten, wo schreiben begonnen habe, sehr verpönt und ungewöhnlich waren, passiert. Das war für mich, als ich mit dem Lesen von Schreibebloggs angefangen habe, sehr spannend zu erleben, wie sich das jetzt langsam öffnet und man in die Schreibwerkstätten Einblick hineinschnuppern kann. Ich habe es schon auf meinen Blog geschrieben. Vor ein paar Jahren wollte ich mir einmal eine eigene Schreibwerkstatt machen und wußte nicht, wie ich das beginnen soll? Etwas, was ich heute gar nicht mehr verstehen kann, daß mir da nichts eingefallen ist.
Schön, daß du es so genau beschreibst was in den zwei Tagen deiner Seminare passierte. Die Wahrnehmungsübungen, habe ich natürlich schon gemacht. Habe ich mir vor zwanzig oder noch mehr Jahren, als es sonst nichts gab, ja die „fünfzehn goldenen Regeln“ der Fernakademie in Hamburg, schicken lassen und da stand auch so was drin und dann habe ich dieser Zeit auch mit meiner Gesprächstherapieausbildung begonnen und das geübt. Trotzdem war die Übung am Sonntagmorgen für mich sehr lehrreich. Schade nur, daß ich nicht viel Feedback geben konnte und daß das auch die Teilnehmer der ersten Übung nicht taten. Auch wenn man schon sehr viel geschrieben hat, helfen solche Übungen weiter, habe ich jetzt erlebt. Also vielen Dank für deinen Einblick, denn ich denke auch, daß es sehr wichtig ist, zu wissen, was einem bei einem solchen Seminar erwartet und finde es sehr spannend, daß ich diesen Sommer damit beginnen konnte, bevor es Morgen in das große Schreibseminar am schönen Wörthersee gehet. Als mir damals noch nichts eingefallen ist, habe ich die Bachmanntexte und einen Krimi gelesen. Heute würde ich bei Schreibblockaden oder anderen Schwierigkeiten hinausgehen und so eine kleine Übung machen, für die es wahrscheinlich nie zu spät ist, auch wenn man schon vierzig, fünfzig oder noch mehr Jahre Schreiberfahrung hat.
Er stellte seinen schwarzen Koffer auf die Glasplatte des niedrigen Tischchens der zu der geblümten Wohnzimmersitzgruppe gehörte und machte ihn auf. Oben auf lag das vereinbarte Werbegeschenk, eine silberfarbige Billiguhr, die er den potentiellen Kunden zur Begrüßung überreichen sollte und überlegte, wie sie in die Wohnung passte? Ein Wohnzimmer mit Blick auf die Terrasse und viel grün. Urwald in der Wohnlandschaft, wie sie zu seinem Heimatland Nigeria passte und unterdrückte das Klischee. Hatte er sich doch abgwöhnt daran zu denken und angewöhnt froh über seinen Job als Weinverkoster zu sein. An die abschätzigen Blicke seiner potientiellen Kunden, die so offensichtlich nicht gewohnt waren, von einem Schwarzen Weine verkauft zu bekommen, hatte er sich auch gewöhnt.
„Kommen Sie aus Afrika? Sind Sie Asylwerber? Gefällt es Ihnen bei uns?“, hatte ihn die Frau, die ihm die Tür geöffnet hatte, nicht gefragt und auch nicht auffällig erstaunt geschaut. Was er ihr hoch anrechnete. Aber eigentlich war es ihm egal und war dabei sich daran zu gewöhnen. So schaute er sich in dem Zimmer um. Das groß war und einen Durchgang in die Küche hatte. Sehr groß sogar, wenn er an die Wohnverhältnisse zu Hause dachte. Aber das war auch egal und ein Grund, warum er hierhergekommen war, ihm die Familie ihr erspartes Geld in die Hand gedrückt hatte, um den Schlepper für die Überfahrt zu bezahlen. Es war ihm auch geglückt und so stellte er die sechs Flaschen, die er anzubieten hatte, auf den schwarzlackierten Tisch mit der Glasplatten, legte die dazugehörende Liste dazu und schaute sich noch einen Moment um, bevor er die erste Flasche hob, das Ettikett präsentierte und in die vorbereiteten Gläser füllte. An beiden Seiten gab es Bücherwände. Sehr viele Bücher für ein einziges Zimmer Sehr gelehrte Verhältnisse offenbar.
„Sie haben aber viele Bücher?“
Sollte er diese Frage stellen oder war das zu intim und würde zu aufdringlich sein? Der Man kam dazu. Grüßte freundlich und nahm in einem der buntgeblümten Sesseln Platz.
„Schmeckt es Ihnen?“, fragte er stattdessen und schaute, während sie an Geschmack und Blume kosteten, die Farbe prüften und vorsichtig nippten, die Zimmerplanzen an. Große grünen Stauden, deren Namen er weder auf Deutsch, Englisch im heimatlichen Dialekt aufsagen konnte. Aber eine angenehme gute Atmosphäre. Ob sie von dem Wein kaufen würden? Ob sie wußten, wie wichtig es für Ihn war, eine einigermaßen gute Bestellungsliste zusammen zu bringen, um seinen Job nicht wieder zu verlieren und der Familie am Monatsende Geld schicken zu können, was sie von ihm erwarteten. Der schwierig war, weil viele Menschen, auch die, die in so riesigen Wohnungen lebten, von denen man in dem Dorf, in dem er aufgewachsen war, nur träumen konnte, sich die Weine nur vorführen ließen, davon kosteten weil es gratis war, das Begrüßungsgeschenk entgegennahmen und ihn mit einer Ausrede verabschiedeten. Daß das Leben hart war, hatte er schon bevor er hergekommen war gewußt, die Athmosphäre in der Wohnung aber freundlich. Ob sie die Bücher alle gelesen hatten oder waren sie nur zur Dekoration in dem großen Zimmer aufgestellt.
„Schmeckt es Ihnen?“, hatte er wieder gefragt, als er den zweiten Wein präsentierte. Große Kästen gab es auch. Helles Holz, das gut roch. Er hatte sich schon daran gewöhnt, daß die Menschen hier so viele Sachen zum Leben brauchten. So viele Blumen, so viele Bücher, so viele Weine, die er ihnen anzubieten hatte, obwohl er selber ein strenger Antialkoholiker war.
„Schmeckt es Ihnen?“, nun zum dritten Mal gefragt und schaute, während sie tranken, aus der Terrassentür in den Garten hinaus.