Kleine Online-Schreibwerkstatt 4/6: Sinnlichkeit.

Wunderbar, dass du bei dieser kleinen Schreibwerkstatt dabei bist!

Mitmachen ist wie gesagt ganz einfach: du fügst deinen Übungstext als Kommentar an diesen Blogbeitrag, und danach gibst dein konstruktives/wertschätzendes Feedback zu den Texten der anderen.

So hilfst du anderen, genauso wie die anderen dir helfen.

Voraussetzung für diese Übung ist, dass du die erste Übung gemacht hast.

Hier also die zweite Übung. Hier geht es um das Wahrnehmen:

Verlasse deinen Schreibraum, gehe hinaus auf die Straße und notiere, was deine Sinne wahrnehmen.

Sinneseindrücke sind (VAKOG)

  • visuell (sehen)
  • auditiv (hören)
  • kinästhetisch (tasten)
  • olfaktorisch (riechen)
  • gustativ (schmecken)

Gefragt sind ausschließlich Sinneseindrücke und nicht

  • Gedachtes („Der Hund erinnert mich an…“, „Ich dachte…“, „Ich verstehe nicht was er meint.“)
  • Wertungen („Ich sehe einen attraktiven Mann“, „Gegenüber sitzt eine große Frau“)

Es müssen keine ganzen Sätze sein. Die Notizen müssen weder zusammenhängend noch geordnet sein.

Wichtig ist: du lässt dein Denken beiseite und notierst ausschließlich, was deine Sinne wahrnehmen.

Und verlasse deinen Schreibraum! Damit die Eindrücke aus erster Hand sind und nicht Erinnerungen.

Du hast 45 Minuten Zeit.

Aus meiner Erfahrung ist dies diese unscheinbare Übung wohl die schwierigste und erstaunlichste Aufgabe zugleich.

Die meisten (!) Schreibenden kamen mit Wertungen, mit Geschichten und mit Gedanken zurück, und da nützte es nichts, dass ich sie genau davor nochmals gewarnt hatte.

Ja, ja, die inneren Widerstände sind groß.

Und hier geht es zur nächsten Übung

18 Gedanken zu „Kleine Online-Schreibwerkstatt 4/6: Sinnlichkeit.“

  1. Ich bin heute etwas Spazieren gegangen in Corona- Zeiten schon etwas Besonders das Haus zu verlassen und die Vögel mal wieder zwitschern zu hören der kalte Wind wehte um mich herum und ich hörte einen Traktor an mir vorbeifahren. Mir war kalt, sehr kalt um genau zu sein. Ich machte meine Jacke zu und spürte sofort wie ich das mir wärmer wurde und machte mich langsam auf den Heimweg…

  2. Ich gehe wie fast jeden Morgen Joggen, es ist noch sehr früh, fast keiner ist auf der Sraße zu sehen. Doch das liegt nicht nur daran das es erst 6 Uhr Morgens ist, das Corona Virus hat sich nun auch hier bemerkbar gemacht.
    Ich höre wie die Vögel zwitschern und der kalte Wind weht mir ins Gesicht. Die schöne Ruhe wird durch ein Hundegebell direkt neben mir unterbrochen. Ein kleiner schwarz, brauner Hund bellt mich an. Ich habe keine Angst mehr vor Hunden seit dem sich meine Beste Freundin einen geholt hat.
    Doch trotzdem Frage ich mich was wohl der Hund gerade denkt, ich weiß nicht weshalb die meisten Hunde bellen wenn jemand läuft. Denken sie er will mit ihen fangen spielen und sie wollen ihm nur hinterher laufen?
    Eine Ermahnung von der besitzerin lässt den Hund, der anscheinend Keks heißt, erstummen und er schnupperd wieder aufgeregt an einem Grassbüschel.
    Ich laufe meine gewohnte Runde zu Ende, außer ein paar weiteren Hundebesitzern habe ich keinen mehr auf der Straße gesehen.
    Verschwitzt öffne ich die Tür zu meiner Wohnung. Gleich als erstes Wasche ich meine Hände und wechsele die Sportkleidung gegen eine gemütliche Jogginghose mit einem Hoodie aus.
    Erst jetzt bin ich so richtig wach. Während ich meine Nachrichten checke, bereite ich mein Frühstück vor und mache den Fehrnseh an.
    Schnell schallte ich zu meiner Lieblings Serie um, die immer Morgens läuft und verschiecke ein paar Snaps an meine engsten Freunde.

  3. Die Taschenlampe wirft einen kleinen hellen Lichtfleck auf das Papier. Zu hell. Es blendet die Augen, und der unteres Teil des Papiers liegt im Dunkel. Ich spüre die Taschenlampe in der linken Hand, die zugleich auch das Ringbuch halten muss. In der rechten liegt der Stift. Die Taschenlampe rutscht weg, ich kann das Ringbuch fast nicht mehr halten.
    Hinter mir aus der Küche höre ich die Stimme einer jungen Frau aus dem Radio.Mir fällt auf, dass ich nichts sehe außer meinem Schreibwerkzeug. Ich bin am Ende des Blattes. Umblättern. Dabei sticht mir das Licht der Taschenlampe in die Augen. Mein Gesicht fühlt sich angespannt an. die Lipen pressen sich aufeinander. Mir wird langsam kalt. Die Füße.
    Jetzt höre ich Stimmen. Und Schritte. Ich schaue hoch. Im Treppenhaus links von mir ist das Licht angegangen. Eine Tür klappt. Ich sehe an der Hauswand hoch. Bei Frau Wenzel brennt das Licht neben der Wohnungstür. Jetzt geht es aus. Ich kanndas Ringbuch kaum noch halten. (unleserlich..) Meine Beine fangen an zu zittern. Nicht doll. Nur ein bisschen. Nachrichten. Etwas über Gibraltar. Auf der rechten Seite höre ich eine Glocke läuten. ICh verstehe nichts mehr von den Nachrichten. Meine Finger sind kalt. Die Zehen sowieso. Ich trete von einem Bein aufs andere. Mein Nacken meldet sich, er ist steif. Ich bewege mich, kreise die Hüften. Die Glocke läutet immer noch. Das Radio bringt eine eine Reportage. So klingt es zumindest durch das Glockengeläut hindurch. ICh drehe mich zur Uhr im Flur hinter mir. Sie zeigt 18.05 Uhr. Jetzt fängt noch eine zweite, tiefere Glocke an zu bimmeln. Mit einem klaten Ringfinger riebe ich mir das linke Auge und die Nase. streiche mir das Haar aus dem Gesicht. Umlättern. Neue Seite.
    Im Haus gegenüber ist kein Licht, aber mein erleuchtetes Küchenfester spiegelt sich in dem kleinen Fenster neben der Eingangstür. Mein ATem ist in der Luft zu sehen, wenn ich durch den Mund ausatme. Die Wisterie hat noch Blätter. ICh kann die Farbe nciht mher erkennen, dazu ist es zu dunkel, aber ich kann sehe, dass sie herabhängen. Gegenüber das kleine rote Licht des Bewegungsmelders. Genau Gegenüber, aber etwas höher als mein Kopf. Ich stehe still genug, das Licht im Hof ist nicht angegangen. Daneben das Regenrohr. Es sieht neu aus, glänzt noch. helles silbriges Metall. Das Radio redet von einer Grundgesetzänderung. Meine Hand ist immer noch kalt. Der rechte Fuß tut weh, unter dem Knöchel. Links von mir sehe ich den Gepäckträger meines Fahrrads. Ich bewege die Füße, weil sie so kalt sind. Wippe von einem Fuß auf den anderen. Zum Weiterschreiben muss ich still stehen.
    Umblättern. Die Uhr zeigt 18.10 Uhr. Ich nehme den grünen Wecker in die Hand, sehe genau hin. Der rechte Zeiger steht schon zwischen dem zweiten und dem dritten Punkt. Jetzt spüre ich die Kälte am Hintern. Mein Blick fällt auf die Kommode im Flur, auf der der Wecker steht. Kalte Finger. Ich sehe einen Adventskalender, eine blaue Glasflasche mit abgebrochenem Hals, darüber ein Kunstdruck von einer Amaryllis. Die Taschenlampe brennt noch, beleuchtet die Ringe des Ringbuches. (unleserlich…)
    Ich mache die Tsachenlampe aus und stelle sie neben den Wecker.

  4. Ich beschreibe mal den Fahrradweg, auf dem ich gerade fahre.

    Wer denkt, Asphalt sei grau, der irrt. Asphalt ist kieselig und krisselig. Viele kleine weiße oder fast-weiße Krissel zwischen schwarzen und grauen Körnchen. Gemixt mit klitzekleinen Löchern in kleinen, kantigen Strukturen. Unter dem Mikroskop erschiene die Struktur wie ein dunkles Korallenriff. Von Weitem mag Asphalt grau erscheinen. Direkt vor meinem Vorderrad ist er eine Gemengelage an Schattierungen, ein schier endloses Meer an Pünktchen. Der allgegenwärtige Feinstaub der Abgase hat es nicht vermocht, die hellen Pünktchen zu verschmutzen. Wenn die hellen Pünktchen Wellenschaum dieses Pünktchen-Meeres wären, dann käme das Meeresrauschen von den an mir vorbeibrausenden Autos.

    Die linke Seite des Radwegs ist durch Kantsteine, dicke quaderförmige und ziemlich gerade geschnittene Steinblöcke, begrenzt. Sie bilden einen starken Kontrast zu meinen Pünktchen, eine Steilküste. Auf der anderen Seite ist mit dieser eigentümlichen weißen Straßenfarbe eine Linie zu dem Bereich gezogen, in dem die Autos fahren sollen. All dies gibt dem Fahrradweg ein schiefes Gepräge, gleichwohl eine solide Richtung.

    Ich trete forsch in die Pedale. Die Pünktchen vor meinen Augen bewegen sich immer schneller unter mir und hinter mich. Meine Augen müssen jetzt immer sprunghafte Bewegungen machen, damit ich den beobachtenden Blick auf die Straße halten kann. Das ist für die Augen sehr ermüdend, für den Magen leicht herausfordernd, und ich richte die Augen schließlich zur Entspannung auf den weißen Abgrenzungsstreifen. Dieser Streifen ist nicht etwa durchgängig, sondern in Abständen immer wieder durchbrochen. Bei steter Geschwindigkeit erzeugen diese Unterbrechungen einen Rhythmus.

    Auf so einem Fahrradweg gibt es allerhand zu besichtigen, weshalb ich das Tempo wieder verringere. Den Krisseln kann ich wieder folgen. Es erscheint: Ein Gulli. Braunes, aber nicht verrostetes Metall. Mit Rillen quer zur Straße, was für Fahrradfahrer eine gute Sache ist. Was für eine brutale Struktur in der sonst so feinen Straßenoberfläche. Ich kann schräg einen Blick in den Gulli riskieren. In dem Gulli steht Wasser. Zum Schutz vor möglichen Gerüchen halte ich den Atem an. Keine Auffälligkeiten. Ich kann weiterfahren.

    Der nächste Gast auf unserer Reise ist ein Symbol eines Fahrrads in der weißen Straßenfarbe auf dem Radweg. Daran kann ich erkennen, dass ich auf einem Radweg fahre. Auch dieses Symbol ist nicht durchgängig gezeichnet, sondern hat Unterbrechungen. Ich spüre eine kleine Erhebung, als ich über das Symbol fahre, erst am Vorderrad und kurz darauf am Hinterrad. Mein Hinterrad rollt merklich weicher über die Erhebung.

    Und wieder eine Überraschung knapp voraus: Ein weißes, viel größeres Pünktchen in dem Meer von Asphalt-Pünktchen. Ein Kaugummi. Es ist plattgefahren bis auf die Dicke der Straßenfarbe. Die Form ist nicht kreisrund, oben rechts fehlt ein Stück. Die Oberfläche ist glatt und hell. Feinstaubfrei. Obwohl es die Aufgabe ist, verzichte ich auf Geschmacks- und Geruchstests. Gegenüber liegen zwei Zigarettenkippen. Sie sehen zusammen wie ein „V“ aus und zeigen auf das Kaugummi. Einen metaphysischen Gehalt hat dieser Umstand vermutlich nicht. Auch die Kippen sind schon plattgewalzt. Dieses seltsame Kamel-Beige – man sieht es eigentlich nur noch auf Zigaretten. Auf einer Kippe sehe ich Lippenstift und kann detektivisch kombinieren, dass die Zigarette vermutlich von einer Frau geraucht worden war.

    Ich lassen den Blick schweifen. Mehr Kaugummis, mehr Kippen und auch noch schwarze oder bräunliche Flecken, deren Ursprung und Zusammensetzung ich nicht erkennen kann und auch nicht erkennen will. Ein Papierfetzen. Ein paar alte braune Blätter eines Laubbaumes. Alles Bewohner des Fahrradweges. Meeresbewohner auf dem Sandboden des Pünktchenmeeres. Ich spucke mein eigenes Kaugummi auf den Fahrradweg und füge dieser Fauna etwas Neues hinzu.

  5. 10 min:
    „Ich laufe. Die Platten des Gehsteiges fühlen sich hart an. Ich spüre den Fahrtwind vom nahen Straßenverkehr auf den Wangen. Der Mantel ist warm, vielleicht zu warm für die Außentemperatur, außerdem finde ich ihn jetzt auch zu lang und irgendwie unpraktisch beim Gehen. Ich laufe an einer Bäckerei vorbei, ganz kurz weht mir der Geruch der Backwaren ins Gesicht, dann bin ich auch schon vorbei. Das Tageslicht blitzt in den Schaufenstern wieder, trotz des bedeckten Himmels, ist es hell in der Straße. Der Lärm der vorüberfahrenden Autos und LKWs übertönt andere Geräusche. Nur bruchhaft dringen kurze Gesprächsfetzen der vorüber eilenden Leute zu meinen Ohren. Irgendwo bellt kurz ein Hund auf. Dann schallt das Alarmsignal eines Krankenwagens und verschluckt jeden anderen Ton um mich rum.“

    1. Interessant. Ich muss nachdenken über das, was so eine Sirene bewirkt. Ich hatte immer das Gefühl, eine Krankenwagen-Sirene kämpft gegen alles an, will lauter sein als alles andere. Aber ich finde, du hast Recht. Dieses Geräusch verschluckt. Es ist nichts mehr da, wenn dieses Geräusch da ist.

  6. Wir fahren schweigend durch die Innenstadt. Es ist erst der fünfte September, trotzdem ist alles Herbst. Die Sonne ist schon fast vollständig untergegangen und das kühle Licht ist bereits so schwach, dass die Häuserfassaden, die sich noch nicht in schwarze Silhouetten verwandelt haben, kaum noch Farbe zeigen. Wie schlecht kolorierte oder im Keller verblichene Kulissen stehen sie am Rande der Strassen herum. Über und zwischen ihnen ein dramatischer Himmel. Das mit dem Drama können sie, die herbstlichen Himmel. Vor einem blassen, aber dennoch hellem Weiß-Grau versuchen lockere Wolkenzeilen in dunkel marmorierter Anarchie das Licht zu zudecken. Es ist dunkel und doch noch hell. Zwielicht, denke ich, und das ist selten in der Stadt. Es liegt an der Jahreszeit. Jetzt wird es schon wieder früher dunkel, aber die Strassenbeleuchtung ist wohl noch auf Sommer geschalten. Keine Laterne stört das Drama, das sich so unaufdringlich wichtig macht und trotzdem auf entrückte Weise friedlich ist. Schön ist das.

    Es ist selten, dass wir während einer Fahrt nicht reden. Das heißt, in der Regel rede ich und er hört zu. So ist das meistens, wenn wir Auto fahren, das ist wohl sowas wie unsere Art. Im Auto halte ich aus irgendeinem Grund Stille nicht gut aus und Paare haben schließlich etwas wie Situationsroutinen. Eine unserer Routinen ist diese. Nicht aber heute. Er scheint es gar nicht zu bemerken. Ich überlege kurz, ob das ein Grund wäre, beleidigt zu sein. Aber ich weiß, dass er den Kopf zur Zeit voll hat und ich ihm an dieser Stelle nur schlecht mangelndes Interesse unterstellen kann, also lasse ich es. Ich habe schlicht gerade auch nicht die nötige Energie. So glotzten wir beide nur müde mit eingeschlafenen, schlaffen Gesichtern vor uns her.

    Wir kommen zügig durch. Die Strassen sind kaum befahren, es ist die letzte Woche der Sommerferien. Ab kommenden Montag wird auch um diese Zeit, um halb Neun Uhr Abends, hier wieder Zeug sein. Die Schüler werden wieder in die Schulen gehen und wir alle werden wieder Herbst tragen, wie jetzt schon die Häuser.

  7. Es ist kühl. Gänsehaut breitet sich auf meinen Unterarmen aus, ich zittere ein bisschen und schlinge die Arme, um meinen Oberkörper um mich etwas zu wärmen. Meine Hände spüren unter den Armen den meinen warmen Körper durch den Wollstoff meiner Strickjacke.

    Meine rechte Hand fühlt sich taub an vom klicken mit der Maus.
    Ich bin müde und meine Augen brennen vom Schlafmangel und der Bildschirmarbeit.

    Auf der Zunge noch der Geschmack des eben getrunkenen Kaffees.

    Die Luft riecht nach umgegrabener Erde und nach Abgasen. Sie strömt kalt in meine Nase, kleine weiße Wölkchen entstehen beim Ausatmen.

    Der Rasen hinter unserem Haus ist mit letzten Schneeresten bedeckt, von der Dachrinne tropft tauend das Eis in die Regentonne und ich höre leises gleichmäßiges Wasserplatschen.

  8. Gassi in der Gasse

    Der hochgeschlagene Mantelkragen kratzt an meinem Hals.Unwillkürlich ziehen sich die Schultern hoch als mir die Kälte entgegenkommt. Der Hund läuft federnden Schrittes voraus und sein Rücken schlängelt sich elegant, als winke er mir ein „Komm schon, vorwärts!“ in hündischer Körpersprache.Mein Atem friert und bläst nebelige Wolken vor mir her. Der Himmel hat noch gerade eine Spur grauviolett, die ich zwischen den orange-gelben Lampen der Straßenbeleuchtung sehen kann. Mein Körper spannt sich, um gegen die Kälte anzukämpfen und nicht in ein Schütteln zu geraten. Ein Schütteln, das meine kleine Wärme, die im aufgeplusterten Mantel hockt sofort vertreiben könnte. Beim Gedanken daran stellen sich schon die Nackenhaare auf Gänsehaut ein auch wenn ich sie mit warmen Gedanken gerade noch in ihre Grenzen verweisen kann. Meine Hände sind kühl, die Finger beginnen zu frieren und mit Reibung halte ich mich davon ab sofort umzudrehen, weil ich Handschuhe und Mütze aus klimatischer Fehleinschätzung nicht mitgenommen habe. Dabei hatte schon der erste Atemzug vor der Haustüre nach Schneeluft gerochen. Aber der Hund mit seinem wedelnden Pelz ist so fröhlich und springlebendig, riecht nach links und riecht nach rechts und wirft mir alle fünf Meter einen Blick zu und sobald er mich sieht tänzelt er weiter, weil es im Moment für ihn nichts Besseres gibt, als das reifbedeckte Gras, die kahlen Bäume, die ihre Zweige in die Luft strecken und an ihren Stämmen erahnen lassen, dass da schon vorher ein Vierbeiner seine Spuren hinterlassen hatte. Das kann mein Hund auch, selbst wenn er sich dabei ungewohnt anstrengen muss, denn mein Hund ist eine Sie. Schau ihr zu und du merkst, dass sie ihr Bein ganz anders hebt, als ihre männlichen Artgenossen, nicht so streng und fast kämpferisch, jedenfalls zackig sondern rund und elegant mehr so als wolle sie den Baum mit einem Hofknicks die Ehre erweisen.
    Als ich an meinen Ohren schon die kribbelnden Vorboten der Kälte verspüre und beim vorbeirauschenden Zug die explodierende Kälte auf der Hochspannungsleitung höre, wende ich und stapfe wieder Richtung nach Hause.
    Meine Hündin schnellt wie der Wind mir nach, berührt mich leicht mit ihrer Pfote – anspringen gilt nicht, dass weiß sie und kann dennoch nicht widerstehen, rennt aber gleich weiter voraus und steht dann abwartend, als wäre nicht sie es gewesen, die hinterrücks das Verbotene nicht lassen konnte.
    Wedelnde Unschuld in der Ferne entlockt mir ein Lächeln.

  9. Spinatmuster auf Metall
    Hab eine Schokolade im Mund: zuerst hart, dann immer weicher werdend, pelzig-bitter und irgendwie klobig.
    Neben konstantem Computersurren immer mal ein Rauschen von draußen, das lauter wird, sein Maximum erreicht und verblasst.
    Grüntöne vor meinem Fenster, allerdings etwas schummerig, weil ich meine Kontaktlinsen nicht trage.
    Immer und überall Stangen: Heizung, Laufstall, IKEA-Kabelbox
    Die Aug-Arterien in Form kleiner, dunkler Flecken im Sichtfeld, die abhauen, wenn man versucht, sie anzuschauen.
    Geruch meiner Sofakissen, den ich als nicht mehr ganz frisch bezeichnen würde, was allerdings eine Wertung wäre und somit gestrichen wird: Geruch meiner Sofakissen.
    Verdammt: Baby schreit.

  10. Kommentar zu Ramona: Viele Bilder, die gut ankommen. Mehr Details beim Lauschen und Riechen (Kiosk, Baustelle liefern sicher Material genug) fänd ich schön. Die Bilder sind lebendig und machen gleich Lust auf eine Geschichte.

  11. Ich trete vor die Haustür. Hellblaue Himmelsstücke spiegeln die oberen Fenstern des Hauses auf der anderen Straßenseite. Eine hohe Mauer aus rotem Backstein, unterbrochen von den nahezu quadratischen Fenstern. Sehr nah steht das Haus, nimmt fast mein gesamtes Blickfeld ein.
    Jetzt schwindet das Blau, hinterlässt dunkelgraues Spiegeln. Ich sehe hinauf. Wolkenverhangener Himmel, Grau über Grau schichtet sich aufeinander. Plötzlich blendet mich helles Licht, ich sehe Schwarz, durch das sich allmählich Umrisse formen: die winzigen Blätter der Hecke, Unkraut zwischen den Platten des Weges.
    Ich habe den Blick gesenkt. Zu grell war das Licht.
    Kontrollblick: die Sonne steht über dem Dachfirst. Scheint durch eine Wolkenlücke direkt auf mich. Ich spüre es warm in meinem Gesicht. Jetzt sehe ich mich um. Ich stehe im Vorgarten. Hier und nebenan sind die Bäume noch kahl, die Rosenblüten vertrocknet. Sie schaukeln ein wenig im sanften Luftzug. Er streicht ganz leicht von rechts durch mein Gesicht. Auch die kahlen Zweige bewegen sich sanft. Die Luft riecht süß und regenfrisch. Noch keine Frühlingsgerüche. Aber kalt ist es nicht.
    Ohne Jacke ein bisschen kühl. Ich lege die Hände an die Ellenbogen meiner verschränkten Arme, reibe sie ein wenig. Möchte noch etwas mehr mitnehmen. Lautes Brummen von oben, bewegt sich hinter der geschlossenen Wolkendecke über mich hinweg.
    Rauschen kommt näher von rechts. Die nasse Straße schickt das Geräusch vorweg, bevor das Auto an mir vorüberfährt. Jetzt das gleiche Spiel von links, dann wieder von rechts. Ein kurzes Intermezzo, schon ist es vorbei. Dann entfernt es sich, wird leiser und leiser. Aus.
    Stille. Dann schlurfende Schritte und Kinderstimmen, bevor ich zwei Mädchen sehe, 7 vielleicht oder 8. Viel rosa Kleidung und aufgeregtes Plappern, große Taschen auf dem Rücken, bummeln sie auf der anderen Straßenseite vorbei.
    Die hohe Gartenhecke bremst den Blick. Solange ich im Vorgarten bin, eilen die Geräusche voraus. Nur ein kleiner Ausschnitt gibt den Weg frei zur Straße. Das ist mein Fenster zur Welt. Kurz erscheint ein vorüberfahrendes Auto oder Fahrrad, ein Mensch, der vorübergeht. Schon ist er weiter, hat das Heckenfenster verlassen, hinterlässt noch Geräusche, die bald verklingen.

  12. @klara – den finde ich gut. Nichts überflüssig, alles passt. Ich hab sofort ein Bild vor mir. Der letzte Satz ist irgendie seltsam. Absicht oder Rechtsscheibfehler?

    @Julia – sich selbst flüstern hören…tolle Idee. Ich komm aber nicht drauf, was der Pullover und die Wangenknochen sollen. Könnte man (nach meiner ganz persönlichen Meinung only) glatt weglassen.

  13. Es regnet, der Gehweg glänzt vor Nässe. Auf der Straße lärmt die Baustelle, in den Vorgärten dahinter duschen die Bäume.

    Ein Mann mit einer Zigarette im Mundwinkel und einem kleinen gelben Bagger schippt Erde von einem Haufen auf den anderen. Er grüßt und grinst ein schiefes Mundwinkelgrinsen. Ich bleibe stehen, um eine Frau mit einem Kinderwagen durchzulassen. Sie lächelt entschuldigend, es ist eng hier. Ich warte. Aus meinem Haar tropft es auf die Nase.

    An der Kreuzung vorne steht ein Baulaster und blockiert den Verkehr. Die Bäume schütteln sich im Wind und an meinen Armen bildet sich Gänsehaut. Da, wo der Zebrastreifen war, ist eine große Metallplatte. Sobald kein Auto mehr vobeikriecht, spiele ich Pfützenumgehen zum Kiosk, wo selbst die Türglocke schon rostig klingt.

    Drinnen wohnen tropfende Regenschirme, leichter Bierdunst liegt in der Luft. Schön, wenn du’s passend hast. Rauchen wirst du bei dem Wetter ja nicht wollen, oder?
    Bin ja gleich wieder daheim. Bis dann.

  14. Die Sonne schließt meine Augen.
    Vor meinem inneren Auge erscheint ein rot-schwarzes Flimmern, undefinierbare Punkte blinken auf und verschwinden wieder. Meine Finger tasten über den Sonnenschein auf meinem Gesicht, spüren meine Wangenknochen, die sich heben und hervortreten, von meinen Mundwinkeln angehoben. Der Pullover auf meiner Haut strahlt immer mehr Wärme ab. Ich streiche über den schwarzen Baumwollstoff, näher an meine Haut, noch näher, noch mehr.
    „Noch nicht“, höre ich mich Flüstern, als die Sonnenstrahlen innerhalb weniger Augenblicke nachlassen.
    Draußen vor dem Fenster schreien kleine Sonnenanbeter, jauchzen, rennen im Kreis, „Ich fang dich, ich fang dich.“ Eine Katze jagt Mäuse in der Wiese. Drumherum Einfamilienhäuser, vor den Häusern Autos, kleine weiße Wolken am Horizont, die Bäume sind noch nackt.
    Dann tauche ich wieder ein ins Bad.

  15. Fein doch ein neuer Text und einer der mir sehr gefällt, obwohl er schon ein bißchen was von den Gefühlen, Empfindungen und Wertungen zu erzählen scheint, aber schöne Wendungen, das Kind das über die Straße marschiert, die eiligen Leute und der Teer, der sich aufzulösen scheint. Ja, schreiben ist schön und es entstehen lebendige Texte, auch wenn noch nicht alles ganz perfekt ist

  16. Es ist heiß, stickig, kein blaue Himmel zu sehen…Benzin und schweiß, mein Hand klebt an die Plastiktasche, die Leute gehen hin und hier haben es eilig, nach Hause zu gehen oder ein Termin wahrzunehmen. Die schauen gar nicht Glücklich aus, genervt, zeigen keine Interesse. Ein Kind, ein Junger redet mit seine Mutter, die schaut gar nicht zu, marschiert weiter über die Straße. Ein man mit Rucksack und ein Bild unters Arm. Hoppla da hat einer es sehr eilig rennt über den Fußgängerweg. Die Schuhe bleiben in auf der heizen Teer fast hangen so heiß ist es heute, man bekommt die Luft schwer , will ich es nicht einatmen so volle staub und schmeckt nach Eisen.

  17. Gleich zu Beginn eine Themenverfehlung, aufmüpfiges Zuwiderhandeln. Denn ich sitze mit dem Laptop auf den Knien im Bett. Neben mir das Frühstück, Müsli mit Heidelbeeren, Erdbeeren, Kirschen vom Baum, der nicht zu sehen ist, Banane, Apfel, Mandeln. Kaffee aus der Espressomaschine viel Milch, Zimt, Kakao, Grapefruitjuice gibt es auch. Das Fenster mit dem Ausblick auf den Garten schräg gegenüber. Ein bißchen Baum, grünes Laubgewipfel von der Straße. Neben mir im Bett mein Mann. Ich höre Schnarchgeräusche, vom halbgeöffneten Fenster dringt Vogelgezwitscher herein. Die aufsteigende Sommerhitze läßt sich spüren. Die Möbel sind aus hellen Holz. Unter der chinesischen Kugellampe baumelt eine Hexenpuppe mit langen gelben Haaren. Viel Staub. Die Türe führt in die Küche, wo ein Stück des braunen Büroschreibtisch zu sehen ist. Ein Regal mit Vorratsgläsern. Mehl, Zucker, Grieß kann ich lesen. Blaues Muster. Die Vögel zwitschern immer noch sehr intensiv.
    „Wie spät ist es, Eva?“, fragt mein Mann, dann wieder Schnarchgeräusche. Zwischen dem Laptop und mir eine Decke. Wärme auf den Knien. Beige gemustert, braunschwarze Blätter. Das Müsli fruchtig süß. Der Kaffee ein wenig bitter. Auf der Jugendstillampe links am braunen Boden ebenfalls viel Staub. Auf dem Tischchen unter dem Fenster drei Porzellanpuppen. Deutsches Mädel im zerfetzten roten Kleid, mottenzerfressen, die Kriegspuppe, die außer dem Kopf aus Lumpen besteht, hat ein weißes Kinderlätzchen umgebunden. Auf der Straße ist ein Auto vorbeigefahren, jetzt kommt wieder eines. Die Geräusche sind verklungen. Ein paar Koffer in der Ritze zwischen Schrank und Mauer aufgestapelt. Darüber ein Plakat. Mann mit Fernglas vor den Augen und großen schwarzen Hut. Ein paar Kinderbildchchen von mir selbst, der Mutter und den Tanten auf der Wand, die nach dem Fenster kommt. Jetzt bellt ein Hund. „Du solltest wieder mehr lesen“ steht auf dem Plakat, das auf der Türe klebt. Milchglasscheibe. Hungergefühl und das des Durstes spüre ich auch in mir, so daß ich zu dem Frühstück greife.

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