Würmer

Der vierte, nein, fünfte gekühlte Schnaps heute beim nächtlichen Überarbeiten, und tief dringe ich in meinen Roman und wühle und wälze mich – und soeben presse ich mich an folgende Stelle:

Viola. Dein Leib unter dem weißen Tuch, du hebst und senkst deine Brust. Und dann dieses Zittern des gestrafften weißen Stoffs über deinem Gesicht, der sich über der Nase aufbläht. Dein immerwährender Atem ist das nicht, sondern es ist das Gewürm unter deinem Leichentuch, ineinander verschlungen und auf der Suche nach Fleisch, aber das einzige Fleisch ist ebenso Gewürm, das sich wild in sich selbst verknotet, in sich hineinkriecht, früher gemästet mit deinem faulem Leib aber nun, wo aller Kadaver aufgefressen ist, wo sogar deine Knochen verbrannt sind, da bleibt dem Gewürm nichts als anderes weiches Gewürm. So seid ihr Friedstätter, verknotet und durchdrungen ineinander, und ihr sagt: Ich trage den Leib Violas in mir, denn ich fresse den, der einen gefressen hat, der von Viola Leib gefressen hat. Und wehe, ein Mensch kommt und lüftet das Tuch! Dem nagt ihr die Fingerkuppen auf, sobald er das Tuch berührt hat, und unter seine Fingernägel fresst ihr feine Röhren und weiter die Haut entlang über Arme und Schultern und den Hals innerhalb der Wangen weiter bis in die Augen. Endlich die Augen! Ihr saugt dem Menschen die Glaskörper aus, mit denen er Viola gesehen hat. Und ist dieser Mensch eine Frau, dann geht es weiter, hinab in ihre Brust, hinab in ihren Unterleib, und sitzt dort das Ungeborene, dann drückt ihr das Kind aus dem Leib und klebt eure weißlichen Eier in den Schleim der Nachgeburt und ruft: Dies war ein fremder Körper! Wir mussten ihn verschlingen, damit Viola rein bleibt!

PS: Obiges Grabmal, fotografiert von meiner Tante in Bourg en Bresse, Burgund, hat mich zum Grabmal Violas inspiriert. Danke!

3 Gedanken zu „Würmer“

  1. Darf ichs sagen? Nein ich frag nicht:) Lieber Thomas: Gewürm das kriecht unter einem Tuch ist klitzeklein, bringt also das Tuch nicht ins Zittern, vielleicht „eine kaum merkliche Bewegung am Tuch“ oder oder. Ausserdem ist der Satz: Dein immerwährender Atem… viiiel zu lang.Da bleibt dem Gewürm….beginnt der zweite Hauptsatz fürs leichtere Lesen, für ein Herausheben der Stelle: Da bleibt dem Gewürm nichts anderes als Gewürm.Herrlicher paradoxer Satz der aufmerken lässt. Und: verknotet ineiner können nur Dinge sein die anders materialisiert sind als verbranntes Fleisch, das ist des Guten zuviel um Leser an ein Bild zu „knüpfen“ ;-) das hängt sich irgendwie auf:)durchdrungen ineinander für die Friedstätter würde reichen…und noch eine „Übertreibung“ die weggelassen werden könnte: „sobald er das Tuch berührt“… das klingt magisch, märchenhaft und passt wenig in den realistisch-surrealistisch Swagt. Mit besten Grüßen eine kritisch-wohlwollende Leserin;-)

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