Die Zeitlüge. Oder: Für das Schreiben gibt es immer Zeit.

Der Mythos, dass wir Zeit – mehr Zeit – brauchen, um schöpferisch tätig zu sein, hält uns davon ab, die Zeit zu nutzen, die uns zur Verfügung steht. Wenn wir immer nur nach »mehr« verlangen, negieren wir das Vorhandene.

Mein Dasein als alleinerziehende Mutter, hauptberufliche Lehrerin und hauptberufliche Schriftstellerin hat mich gelehrt, mir die Zeit zum Schreiben zu nehmen, statt auf sie zu warten.

Die Obsession mit dem Zeitmangel ist in Wirklichkeit nichts anders als Perfektionismus. Uns fehlt der Mut, ohne Sicherungsnetz zu arbeiten, und wir behaupten, dass wir doch nicht so dumm sind, um Zeit auf etwas zu verschwenden, das sich am Ende gar nicht auszahlt.

Wenn wir aus Liebe schreiben, uns selbst Augenblicke des Schreibens schenken, dann wird unser Leben schöner und unser Temperament sanfter.

Schreiben bringt vieles ins Lot.

Wer sich Zeit zum Schreiben nimmt, dem steht Gutes bevor. Indem wir unsere Umgebung beschreiben, wenden wir uns ihr bewusst zu und wissen sie besser zu schätzen.

(Quelle: Julia Cameron: Von der Kunst des Schreibens)

Dieses Zitat widme ich B. und S., die soeben an ihren Sachbüchern arbeiten.

Ein Gedanke zu „Die Zeitlüge. Oder: Für das Schreiben gibt es immer Zeit.“

  1. Natürlich Zeit hat man nicht, man nimmt sie sich. Der berühmte James N. Frey hat in seinem „Wie man einen verdammt guten Roman schreibt“ auch ausgerechnet, wieviele Seiten man pro Jahr zusammenbringt, wenn man jeden Tag eine Stunde weniger fernsieht, später schlafen geht, ein Bier weniger, etc trinkt. Dann sitzt man da und denkt puh dreißigtausend Seiten. Aber was tut man damit, wenn es einem beispielsweise nicht gelingt einen Verlag zu finden und man vielleicht auch in keiner fördernden literarischen Szene ist. Ich bin vielleicht so ein Beispiel, denn den ich habe mich scheinbar um all das nicht gekümmert, sondern geschrieben und geschrieben und da das Schutzengelchen mich 1973 davor bewahrte, beispielsweise Germanistik zu studieren, habe ich jetzt einen Brotberuf, der mir das sogenannte Grundgehalt relativ rasch beschert und mir bei einiger Zeiteinteilung und das lernt man wahrscheinlich in der Verhaltenstherapie, auch Zeit läßt meinem „Hobby“ zu fröhnen. Aber ist es überhaupt ein solches? Als das meine Tochter 2002 frischfröhlich behauptet hat, bin ich ich blaß geworden, ich doch nicht, die sogenannte Hobbyautorin ist doch sowetwas von anrüchig. Jetzt sehe ich es gelassener, das Wort gefällt mir zwar noch immer nicht, aber gut, ich schreibe für mich, blogge seit drei Jahren über mein literarisches Leben, mache meine Bücher selber, veranstalte jedes Jahr zu meinem Geburtstag eine Lesung und lese dann noch ein paar Mal mehr im Rahmen der GAV, beim Volksstimmefest, der Poet Night u. u. u., auch das wird in Zeiten der Schuldenbremse, wo ja überall eingespart werden muß immer weniger und da ich leider keinen literarischen Förderkreist habe, trifft es mich wahrscheinlich sehr rasch. Aber dann bleibt das Schreiben trotzdem als eine phaszinierende Form der Selbstverwirklichung, die gar nicht so sinnlos ist. Ich schreibe das einmal so, auch wenn das Resultat im Digitalzeitalter und des sekundären Analphabetismus immer weniger Leute interessieren wird, weil immer weniger lesen und von von denen die das noch können immer mehr selber schreiben wollen und die Autoren, die beispielsweise Germanistik studiert haben, Schreibseminare als eine Möglichkeit entdecken, damit ein bißchen Geld zu verdienen. So ist das 2011 wo jährlich zweihunderttausend Bücher erscheinen und wirklich schon über alles geschrieben wurde und man immer deftiger und auffallender schreiben und über immer mehr Grenzen steigen muß, um überhaupt aufzufallen. Andererseits kann man jetzt seine E-Books sehr leicht selber machen und ich denke man sollte auch oder gerade in Zeiten wie diese, wenn es einem wirklich wichtig ist, sich die Zeit einfach nehmen und es tun, auch wenn ich manchmal Schwierigkeiten habe, das vor mir zu rechtfertigen, wenn mich schon wieder jemand fragt, du schreibst soviel, kannst du davon leben? Wahrscheinlich schon, aber auf eine ganz andere Art.

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